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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 176)

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Man darf indess nicht glauben, die feinere Geschmacksrichtung jener 
Zeiten wäre einzig nur an den conventionellen, aus Tuster kommenden 
textilen Modefabrikaten haften geblieben. Keineswegs! Vielmehr wurden 
auch auf specielle Bestellung die tusterischen Seidengespinnste zu eigen- 
artigen Prachtstücken verarbeitet. Ein hochinteressantes Beispiel hiefür 
kennen wir aus dem wBuch der Vorrätheß, welchem die wichtigsten inven- 
tarischen Mittheilungen über die Schätze der fatimidischen Kammern zu 
danken sind '55). Der Chälife el-Mu'izz li-din alläh ließ nämlich im Jahre 
353 d. H. : 964 n. Chr. eine wunderbare g0lddurchwirkte_buntfarbige 
Seiden-Tapete (mdktui), deren Fond jedoch aus blauer Tuster-Korküb- 
Seide '56) gebildet war, anfertigen. Dieses einzige Wunderwerk stellte 
gewissermaßen eine Landkarte vor: denn es befanden sich darauf ein- 
gewoben die Abbildung der Erde, ihrer Gebirge, Meere, Städte, Flüsse 
und Straßenzüge; ferner die Ansichten der heiligen Städte Mekka und 
Medina. Jeder topographische Punkt trug seinen betreffenden Namen als 
Ueberschrift in Gold, Silber oder Seide eingewoben; am Rande der Tapete 
stand aber die Widmungslegende: "Dies ist etwas von dem, was anzu- 
fertigen befohlen hat (der lmäm) el-Mu'izz li-din alläh (Fürst der Gläu- 
bigen) aus heftiger Liebe zu den geheiligten Orten Gottes und zur all- 
gemeinen Bekanntmaehung der durch den Gesandten Gottes hetretenen 
Wege, im Jahre dreihundert drei und fünfzig. Die Kosten dafür beliefen 
sich auf zwei und zwanzig tausend Dinäru 157). 
Der riesige Werth dieser Tapete lag nicht allein in der kunst- und 
mühevollen Arbeit, sondern auch in dem dazu verwendeten Materiale. 
Die köstlichste, zugleich theuerste Farbe, welche mit den Gespinnsten in 
Verwendung kam, war eben die "Blauen d. h. die sog. Axmändschünzjj- 
oder Hyacinthen-Farbe, wörtlich himmelfarbig, vom persischen 
äsmän (Himmel) und gün (Farbe). Dieselbe wurde, wie die Herkunft des 
Namens nicht anders erwarten lässt, schon von den säsänidischen Persern 
vorzugsweise zu den königlichen Prunkstolfen verwendet '59). Daneben 
steht, um eine Nüance verschieden, die gleichgeschätzte Ardschewänijj. 
Beide spielen (auch mit schwärzlichem Stich) in's Violetroth hinüber, 
werden als Purpurfarben erklärt und dem syrischen baltin oder griechischen 
ßlitirriov, blatthin, gleichgestellt '59). 
m) Kitäb eds-dsachäir, im Chilax etc. l, p. 417. 
m) Korküb, eine Nachbarstadt TusteHs, berühmt wegen ihrer Teppich-Mnnufsktur- 
ß") Die angegebene Summe giebt nach heutigem Goldwerthe ca. 288.000 Francs. 
'55) Faustus von Byzanz, Gesch. Armeniens, aus d. Arm. von M. Lauer, Köln 
lhg, p. 197. - Harnza von lspahän, Annales ed. Gottwaldt, I, p. 48 E. - Derselbe 
Historiker (er schrieb in der i. Hälfte des X. Jahrhdls.) giebt in der Folge, p. 50 E, 
auch die arabische Uebersetzung dieser Farbbezeichnung: lön es-sema" wHimmelsFarbe-n 
m) Bar All, Lex. ed. Hofmann, I, p. 87, n" 2451, - Payne-Smith, Lex. s. v. 
bältin. Bar Bahlul. 
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