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weit hinausgegangen, indem man sich in verschiedenartig abgestuften
oder gezackten Zickzack- und Rautenfiguren zu ergehen weiß. Während
die einfachen Streifen in Zaloäce untereinander sämmtlich gleich, d. h.
sämmtlich sehr schmal sind, begegnen wir in Touste bereits der Hervor-
hebung eines mittleren Streifens, sowohl durch die größere Breite als
durch das bedeutsamere Muster, sowie zweier seitlicher Streifen, zwischen
denen dann eine ganze Anzahl schmaler Säume läuft. Zwischen beiden
Hälften der Kilirus herrscht vollständige augenfällige Symmetrie. Die Ein-
führung einer um die Langseiten umlaufenden Bordüre ist an diesen Bei-
spielen bezeichnenderrnaßen nicht nachzuweisen; wo sie sich zu Touste
findet, dort begegnen uns noch andere fremdartige Dinge, die auf späte
Entstehung und auf Beeinflussung von Seite der internationalen Kunst
schließen lassen.
Touste ist aber zugleich der Centralpunkt für eine bestimmte
Gattung von Teppichmustern, die wir auf kaukasischen Knüpfteppichen
häufig zu sehen gewohnt sind. Scheint hierin nicht eine Bestätigung für
jene alte Lieblingsmeinung vorzuliegen, wonach die ruthenische Teppich-
production erst "in neuerer Zeit aus dem Orient importirt worden sein
soll? Die kaukasische Herkunft möchte auch ich den betreffenden Mustern
nicht bestreiten; das hat aber noch lange nicht zur Folge, dass die ganze
podolische Productiun auf kaukasische Wurzel zurückgeht. Die Muster
sind an den betreffenden Kilims durchaus nicht nach dem an kauka-
sischen Knüpfteppichen üblichen Schema verwerthet, sondern in das oben
beschriebene Streifensystem mit Geschick hineincomponirt. DerVorgang
lässt sich auf ganz natürliche Weise erklären, ohne dass man dem öst-
lichen Einfluss mehr einzuräumen braucht, als die Vermittlung eines
oder mehrerer als verwendbar und gefällig befundenen Muster. In Satanow
auf russisch-podolischem Boden hat man mir unter Anderem einen nur
mehr noch in Fetzen erhaltenen Knüpfteppich zum Kaufe angeboten,
der mit einigen von den in Rede stehenden kaukasischen Mustern ver-
ziert war. Neuere Knüpfteppiche von derselben unverkennbaren tech-
nischen Beschaffenheit, nämlich etwas schütter geknüpft und kurz ge-
schoren, werden von den russisch-pudolischen Bauern heute noch auf
den Jahrmärkten von Jarmolince und Balta gekauft, wohin sie wiederum
von Händlern angeblich aus dem Südosten Russlands gebracht werden.
Aehnliche Auskunft ward mir zu Kamenec Podolsk zu Theil. Der Finger-
zeig ist meines Erachtens deutlich genug. Ein alter Handelsverkehr
brachte die betreffenden Muster auf Knüpfteppichen nach Russisch-
Podolien, und die Wirker von Touste haben dieselben in geschickter
und entsprechender Weise auf ihre Kilims übertragen, indem sie die-
selben in ihr traditionelles Streifen-Musterungsschema hineincomponirteu.
Eines der erwähnten Muster, vermuthlich kaukasischer Abkunft,
wurde in den letzten Jahrzehnten bis auf den heutigen Tag im Dorfe
Alt-Zbaraz gearbeitet; die Kirchen der Stadt Zbaraz enthalten auf den