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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 9)

durchaus griechischen weiblichen ldealkopf streng archaischen Stiles ge- 
schaffen. Einen ähnlichen, in seinem Parallelisrnus höchst lehrreichen 
Umbildungsprocess nehmen mehrere Jahrhunderte später die in Aegypten 
lebenden Griechen an den für ihre Todten bestimmten Mumiensärgen vor, 
wobei sie auf einem langen Wege zu den in Malerei ausgeführten Porträt- 
bildern der Verstorbenen gelangten, während man jenes erste Mal über 
Idealtypen nicht hinauskam. 
Nach dem dritten Vertreter der anthropoiden Sarkophage setzt die 
griechische Kunst, deren Stern immer glänzender aufging, in die sido- 
nischen Grabkammern durchaus selbständige Werke. Vier von diesen 
Sarkophagen sind mit Sculpturen verziert. Es haben sich für sie die 
Namen lykischer Sarkophag, Satrapen-Sarkophag, Sarkophag der klagenden 
Frauen und Alexander-Sarkophag eingebürgert. 
Der lykische Sarkophag, der zuerst betrachtet werden möge, weil 
er in der Reihe der übrigen vereinzelt dasteht, hat seinen Namen von 
der für Lykien typischen, dem Holzbau entlehnten Sargform mit dem 
colossalen Spitzbogendeckel. Wie er der erste ist, der außerhalb der 
Heimat seiner Gattung gefunden wurde, unterscheidet er sich von den 
Tausenden von dorther bekannten Exemplaren dadurch, dass er nicht 
aus Kalkstein, sondern aus parischem Marmor verfertigt ist. Die Reliefs 
am Kasten und an den beiden Giebelfronten - Amazonen auf der 
Löwenjagd, berittene Jünglinge auf der Eberiagd, Kentauren, die sich 
um ein Rehltalb balgen und den unverwundbaren Kaineus unter Steinen 
vergraben, in den Giebeln Greife und Sphinxe - weisen im Stile und 
in den Motiven eine bis in's Kleinste gehende Abhängigkeit von den 
Parthenon-Sculpturen auf; trotzdem hat man den Künstler dieses Werkes 
nicht unter den Attikern zu suchen, sondern in der Künstlerschule, die 
zur Zeit des peloponnesischen Krieges in Lykien ihätig war. 
Die drei übrigen Sarkophage vertreten den Typus des eigentlichen 
griechischen tempelförmigen Sarkophages, dessen Geschichte sie für uns 
als die drei wichtigsten Documente einleiten und zugleich als drei Ent- 
wicklungsstufen für einen Zeitraum von etwa x80 Jahren in geradezu 
glänzender Weise ausfüllen. Das älteste, rein griechische Monument, auf 
das man bis jetzt angewiesen war, ist der Amazonen-Sarkophag im 
Wiener Hofmuseum, der sich chronologisch zwischen dem vorletzten 
und letzten unserer Serie einschiebt, der aber für die architektonische 
Geschichte der ganzen Gattung ohne Bedeutung ist. 
Täuscht nicht Alles, so weist der neue Fund den Weg, wo wir 
den Ursprung des griechischen tempelförmigen Sarkophages zu suchen 
haben. Dass es nicht das Mutterland sein kann, für welches bei der Sitte 
der Verbrennung die Sargform nicht in Frage kam, ist an und für sich 
klar. Wenn nun der Kasten des Satrapen-Sarkophages mit seiner ge- 
drückten flachen Fortn lebhaft an die phönikischen Theken erinnert und 
zugleich bei viereckiger Außenseite eine anthropoidische Höhlung des
	        
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