in Paris 1883 entstanden die beiden Ölskizzen
"Aus dem Tuileriengartenii (Abb. 5). Diese ins Bild-
hafte übertragenen Zustandsaufnahmen von
Licht-und Beleuchtungseffekten eines "Sonni-
genii und eines iiTrüben Tages" in den Tuilerien
zeigen, wie sich Tina Blau gelegentlich in Maltech-
nik und Thematik dem Impressionismus annäher-
te, aber auch, wieweit sie im Sehen der Natur und
im Wiedergeben der iilmpressionii grundsätzlich
von der impressionistisch iistrengen Optikii der
methodischen Farbzerlegung entfernt blieb. Zwar
geht bei ihr das Dominieren der Farbe als wesent-
lichstes Ausdrucksmittel Hand in Hand mit der
Auflösung der Form in rein farbige Werte; auch
die Nüchternheit der Naturbeobachtung und das
Fehlen subjektiver Stimmungswerte weisen über
die Tradition österreichischer Stimmungsmalerei
hinaus in den Umkreis der lmpressionisten. Deren
äußerste malerische Konsequenz, das Auflösen
nicht nur der festen Körper. sondern auch der Luft
in ein Muster gleichwertiger, ungemischter Far-
ben, zog Tina Blau jedoch nicht.
Ihre ausgedehnten Studienreisen in fast alle Lan-
der Europas brachten Tina Blau außer mit dem
französischen Impressionismus auch mit dessen
regionalen, von Land zu Land verschiedenen Spiel-
arten in Berührung; von der holländischen Schule
von Den Haag wie von der italienischen Maler-
gruppe der Macchiaioli übernahm sie Anregungen
in farblicher, thematischer und maltechnischer
Hinsicht.
Anders als die Aulfassungsweise ihres Maler-
freundes Schindler war ihre Art der Naturbeobach-
tung und -schilderung nüchtern und unliterarisch;
für Tina Blau hatte die Stimmung eines Ortes und
eines Augenblicks motivischen, nicht weltdeuten-
den Wert.
Zu Beginn der achtziger Jahre nahm Schindler Pri-
vatschüler auf, die unter seiner Anleitung im Ate-
lier arbeiteten und ihn auf seinen alljährlichen
sommerlichen Studienfahrten nach Goisern und
Lundenburg an der Thaya begleiteten.
Wie sich Schindlers Unterricht in Landschaftsma-
lerei tatsächlich gestaltete, darüber erzählt sein
Schüler und Biograph Carl Moll: vDenke ich über
Schindler als Lehrer nach, so finde ich, daß sich
seine Lehrtätigkeit und Lehrbegabung auf das
Schauen und Sehenlernen beschränkt. Er lehrt
seine Schüler nicht malen, sondern empfindenWi
Damit ist nicht nur Schindlers unkonventionelle,
in der Folge aber wirkungsvolle Lehrmethode um-
rissen, sondern auch sein Verhältnis zur Natur
und ihrer bildlichen Wiedergabe definiert: Weit
über das naturalistische Abbilden hinaus ist das
Transportieren der geschauten Wirklichkeit in eine
geistige Dimension das Ziel seiner Malerei.
Neben Carl Moll waren Olga Wisinger-Florian
(1844- 1926) und Marie Egner (1850-1940) ab
1882 Schindlers langjährige Schülerinnen; zeitwei-
se kamen zu dieser Gruppe noch die Schwestern
Marie und Louise von Parmentier und der vom
Bankfach zur Malerei übergewechselte und sich
aufs Aquarell spezialisierende Eduard Zetsche
(1844-1927) hinzu.
Olga Wisinger-Florian hatte eine abgeschlossene
Ausbildung als Pianistin hinter sich, als sie zuerst
bei August Schäffer, dann bei E.J. Schindler Mal-
unterricht nahm. Marie Egner, die zur selben Zeit,
um 1880, zu Schindler kam, hatte davor schon eini-
ge Semester an der Düsseldorfer Akademie stu-
dierl. Beide Künstlerinnen fanden nach den ersten
Jahren der Anlehnung an Schindlers gefühlshaft-
romantische Stimmungsmalerei zu einer eigenen
Art des npoetischen Realismus", dessen Grundge-
danke, das Stimmungshafte, auch in ihrer Malerei
zum Ausdruck kam.
Olga Wisinger-Florian war die nmodernereii Künst-
lerin, die durch ihre Aufenthalte in Frankreich zu
einer impressionislisch anmutenden Lichtmalerei
angeregt wurde, die sich in manchen Werken -
meist inspiriert von südlichen Motiven (Abb. 8) -
zu einer expressiven Farbigkeit steigerte. Diese
Bilder, die außerdem durch einen großzügigen, ab
kürzenden Malduktus gekennzeichnet sind, wei-
sen in die Richtung der französischen lmpressio
nisten, als sie das Momentane, die optischen Ver-
hältnisse eines Augenblicks zu fassen suchen; die
von Wisinger-Florian oft gehandhabte Verengung
des Bildausschnitts unterstreicht noch mehr den
Modus des Zufälligen,
Olga Wisinger-Florians Reduktion der Landschaft
zu immer kleineren Ausschnitten führte folgerich-
tig zu Natur-i-Stückenii, zu Stilleben von Blumen
und Früchten, die die Malerin meist zu monats-
zeitlichen Zyklen zusammenfaßte. Durch den
Zyklus-Gedanken erhielt die jeweilige Darstellung
der monatsspezifischen Stimmung einen zusätz-
lich auf das Allgemeine der Natur gerichteten,
"tieferen" Sinn.
Marie Egner kam zu einer ähnlichen Auffassung
der Landschaft und ihrer atmosphärischen Phäno-
mene. Auch sie tendierte in ihren Werken zu einer
ausschnitthaften Darstellung landschaftlicher
Motive, zur Schilderung einer echten i-paysage in-
timeii mit pleinairistischen, manchmal der Tech-
nik der lmpressionisten nahestehenden Mitteln
(Abb. 9).
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