149
mit kreuzartig erhobenem Schwerte auf einem silbernen Sockel mit stürzendem Gegner
steht, und die dramatische Episode einer Rettung aus dem Meere, wo sich ein Relief mit
Strand und Brandung und angestrengten Menschen zu voller Figurenfreiheit auswächst.
Arthur H. Baxter, Thiirangel aus getriebenen: Kupfer (Aus: „The Artist")
Karl Seffner hat aus Leipzig seine jüngsten Büsten gesandt, darunter die vorn-efiliche
Klinger-Büste, leider nicht in jenem rosig colorirtenMarmor, in dem sie auf derDresdener
Ausstellung stand. Hugo Lederer (Berlin) kann seine interessant gesetzte Actiigur: „Die
Haide" als Mittelstück verwendet sehen, wozu sie sich durch ihre mächtige Silhouette
eignet. Aus Paris sendet Rodin den Ponrätkopf seines Balzac-Concurrenten Falguiere, Nocq
einige serpentinöse Einfälle von absonderlichem Reiz, namentlich
auch der Metalliärbung, Carabin einen Eckschrank, an dem er in
beliebter Weise eine nackte Fraueniigur von echt Carabin'schem
Typus als Trägerin anbringt. Ein ganz Junger, L. Dejean, wirft
plötzlich eine Specialität in die Welt, eine Anzahl kleiner weiblicher
Figuren, von einer sehr persönlichen Bizarrerie in Haltung,
Bewegung und namentlich der Gewandung, die das Princip des
Bauschigen komisch übertreibt. Wir konnten nur eine Biichtige
Skizze der Ausstellung geben; schon die Länge, zu der sie sich
trotzdem ausgesponnen hat, ist ein Masstab für die Reichhaltigkeit
und Anregungskraft des Schaustoffes, den die Secession bietet.
RITZ VON ÜHDE. In der Galerie Miethke kann man
sich jetzt an einer ganzenUhde-Ausstellung erfreuen. Es sind
28 Bilder aus seinen letzten Jahren, darunter einige jener grossen
Scenen (Grablegung, Christus predigt am See, Würfler um den
Rock Christi), in denen der Meister mit solcher Inbrunst den Weg
zur grossen Kunst sucht. Sein Ziel ist die heilige Historie für heute,
mit jener Art von Andacht, die in dem modernen Culturrnenschen
erregt werden kann. Er ist ja auch von den modernen Nerven
ausgegangen, von Landschafts- und Stubenstimmungen, in denen
die Seele einer angeblich seelenlosen Zeit sich gleichsam unver-
muthet findet. Erstaunt und entzückt gibt sie sich den stillen
Wundern hin, die den Alltag erfüllen, aber lange Zeiträume
hindurch sich unbemerkt, unempfunden abgespielt haben. Uhde ist
einer der Seher, die das menschliche Auge wieder auf das leise Anm" H' 3mm" Thu"
_ klopfer, aus Kupfer gea
Farbenweben um uns her eingestellt haben, das der realen Er- "üben (Aushmn Anisw)
scheinung einen tieferen Sinn von Weihe gibt, sie in einem Zustande
schlichter, menschlicher Verklärung zeigt. Als ein Stimmungsmeister dieser Art hat er die
Welt wieder geheiligt und den Menschen durch Kunst zu dieser Heiligkeit bekehrt. Die
Ausstellung enthält einige seiner innigsten Bilder dieser Art, vor allem das Bild: „Weib,
zu
warum weinest Dul", das SeineMajestät für die kaiserlichen Sammlungen erworben hat. In
seiner transparenten Abendstimmung, die ein Wunder als einen natürlichen Vorgang
erscheinen lässt, und in der bestrickenden Heimlichkeit seiner Tonxnischungen müsste
dieses Bild, auch abgesehen von dem ergreifenden Vorgang, einen tiefen Zauber ausüben.
Arthur H. Baxter. Detail des Friesen aus dem Schlafzimmer (Aus: „The Artist")
Noch andere mässig grosse Bilder fesseln durch den Reiz der Uhde'schen Farbenrnischung,
die sich in lauter feinen Übergängen und Vermittlungen bewegt. Sein Verfahren führt
zu einer Einheitlichkeit, die eigentlich in jeder Faser mannigfaltig ist. Die Localfarbe wird
selten entscheidend betont, wie etwa in dem köstlichen Bilde „Verlassen", das aber auch
weniger Uhde. als einem alten, sehr feinen Niederländer gleicht. Dies ist wohl auch der
Grund, warum bei ganz grossen Massstäben die farbige Wirkung nicht so mühelos
beherrscht erscheint. Die grossen Bilder Uhdes sind willensstarke Aufrafllxngen und
hochintelligente Constructionen, denen man aber den Gang durch die Bildergalerie, an
Rubens und Rembrandt vorbei, deutlich ansieht. Er erholt sich bei ihnen Raths, aber die
technische Rechnung geht nicht ganz in der Empfindung auf, man hat nicht den Eindruck
einer nothwendig in das Grosse ausströmenden malerischen Naturkraft, wie eben bei
geborenen Grossmalern. Uhde ist noch auf der Suche nach seinem grossen, ausgiebigen
Gesammtton, und zwar sucht er ihn auf der Seite nach Grau und Schwarz hin. Den
historischesten Eindruck unter den grossen Bildern machen die „Würfler"; dagegen ist
die „Predigt" reich an gemiithvollen Ziigen aus dem Volksleben. Es sind auch einige
Landschaften da, in denen man wandeln möchte, ein Wald mit Kindern und ein Feld mit
einem Paar, das an die Morgenarbeit geht. Wenn man Uhde'sche Statfagen sieht, hat man den
Eindruck, dass die Welt wirklich für den Menschen erschaffen ist, und zwar jedes Stück
Welt für einen gewissen Menschen. Das ist so sein rein menschlicher Socialismus. Und
einen wahren Schatz von stiller Lebensfreude birgt ein grosses Bild, auf dem er seine
drei Töchterchen im Hausgarten darstellt. Das ist in der Originalweise Uhdes gemalt,
ohne alle Hinübersteigerung in einen gehobenen Stil. Einfach drei liebliche junge
Existenzen, in einer Schlichtheit, die schon wie Tugend berührt, und in einem Halblicht
und Halbschatten von harmloser Alltagssonne, wie kein anderer das dem Künstler nach-
malt. Was in seinen Anfängen Problem war, z. B. die mannigfache Belichtung und
Beschattung eines einzigen niederhängenden Armes, das erscheint hier zur zweiten Natur
geworden. Und das ist es, was dem Beschauer ein ästhetisches Wohlbefinden einflösst.
Die Sache leuchtet ihm ein, er spürt Natur in ihr. Und das wäre eigentlich auch das
Problem für Uhdes grosse Historien. In dieser selbigen Weise behandelt, ohne Seiten-
blick auf componirende und stilisirende Alte, wären sie das Historienbild der Zukunh.