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Erfolge der joscphinischen Zeit.
dass die Ungeheuern Fortschritte deutscher Pädagogik, welche jenen Standpunct
bereits weit überflügelt hatten, für Oesterreich nicht vorhanden zu sein schienen.
Ungemein folgenschwer war auch die Verfügung, dass in den Städten
durchgehends und auf dem Lande überall, wo es nur thunlich erschien, der
Volksschul-Unterricht nur in deutscher Sprache gegeben werden solle. Seit
dieser Zeit wurde der Name „deutsche Schulen” für die Volksschulen
Oesterreichs allgemein üblich, aber auch die Abneigung eines grossen Theils
der nicht-deutschen Nationalitäten gegen dieselben begründet.
Was ausserhalb des eigentlichen Unterrichts im Wege der strenge bin
denden Gesetzgebung geordnet werden konnte, geschah übrigens in vollem Masse.
Mit Strenge wurde darauf gesehen, dass nur geprüfte Lehrer angestellt
wurden, und diese Vorschrift namentlich den Gemeinden eingeprägt; derartige
Lehrer konnten dann auch nur von der politischen Landesbehörde, welche ihre
Anstellung bestätigte, des Dienstes enthoben werden.
Von den nützlichen Fertigkeiten sollte vor Allem der Gesang eine
besondere Berücksichtigung in der Volksschule erfahren, aber auch der
Unterricht in weiblichen Handarbeiten mit aller Energie betrieben werden. 1 )
Die allgemeine Disciplinar-Vorschrift 2 ) des „Normal-Instituts” hatte
zum Zwecke, die körperliche Züchtigung und das Knieen in der Schule nur für
äusserste Fälle bei den Schülern der untersten Classen zu gestatten. Als
Belohnungen und Strafen wurden in der Regel nur öffentliche Auszeichnungen
und Beschämungen, die Ehren- und Schandplätze, das Einträgen in die Ehren-
und Schandbücher u. dgl. zugelassen.
Für die erwachsene Jugend sorgte ein Wiederholungs-Unterricht,
dessen Abhaltung an jedem Sonn- und Feiertage zu den Obliegenheiten des
Lehrers gehörte.
Selbst auf die Schulgebäude erstreckte sich die organisatorische Thätig-
keit der Gesetzgebung; für Landschul-Gebäude wurden eigene Muster-Risse
adprobirt und die Vorlegung der Kostenüberschläge nach Wien angeordnet,
sobald ein öffentlicher Fond bei dem Bau intervenirte.
Noch war auch auf dem Gebiete des Volksschulwesens Vieles zu thun, als
Joseph II. zu früh seinem Wirken entrückt wurde (20. Februar 1790).
Leopold’s H. kurze Regierung und Martinis Einfluss ging für die
Volksschule fast spurlos vorüber; desto entscheidender war, was Kaiser Franz
auf Grund der Vorschläge Rotten hann’s verfügte. Rottenhann suchte die Auf
gabe der Trivialschule darin, „die arbeitenden Volksclassen zu recht herzlich
guten, lenksamen und geschäftigen Menschen zu machen”; er meinte, mit
Zurückführung des Landschulwesens in „gehörige” Schranken würde sich auch
1) In dieser Beziehung stand Böhmen allen anderen Ländern der Monarchie voran; im
Jahre 1790 bestanden bereits 232 Industrial-Schulen im Lande, deren Arbeits-Protocolle einen
sehr beträchtlichen Schätzungswerth herausstellten.
2) In dieser Rücksicht war besonders Gall’s Nachfolger (seit 1789), J. Spendou, thätig.