Internationale
^ammlergetfung
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
12. Jahrgang. Wien, 1. März 1920. Nr. 5.
Die Sammlung Franz Hauer.
Von Dr. Leo Grünstein (Wien).*
Mit Franz Hauer, der 1914, nicht einmal 50 Jahre
alt, aus dem Leben schied, verlor der Kreis der Wiener
Sammler und Kunstliebhaber eine Persönlichkeit von
selten impulsiver und liebenswürdig vornehmer Wesens
art. Seines Zeichens Gastwirt und Besitzer des von
Künstlern und Kunstfreunden gern besuchten „Griechen
beisls“ repräsentierte dieser bürget liehe Kunstamateui
aus der alten, gar längst entschwundenen Friedenszeit
eine bei uns nicht sehr häufige Spezies von Sammlern,
die den wohlakkreditierten Schöpfungen der alten
Kunst geflissentlich aus dem Wege gehen und die sich
fast ausschließlich, mit entsprechendem Mut, auf die
Pflege der modernen und modernsten Kunstrichtung
beschränken. Hauer interessierte sich lebhaft für die
Werke der zeitgenössischen Malerei und ging mit
besonderem Eifer den künstlerischen Leistungen der
jungen und jüngsten Österreicher nach. Mit entschie
denem Glück und reifendem Geschmack brachte er
denn auch bald eine stattliche Sammlung von Kunst
werken zustande, die er immer wieder ergänzte und
mit nicht geringen Opfern ausgestaltete und die er
zuletzt in seinem Döblinger Heim in der Silberstraße
mit fast musealer Sorgfalt hegte und pflegte.
Ein früher Verehrer des Tiroler Malers Egger-
Lienz, fiat er diesem starken und eigenartigen Künstler
während dessen Wirksamkeit in Wien auch persönlich
nahe und setzte in der Folge seinen Stolz darein, sich
den Hauptteil der aus dem Wiener, beziehungsweise
Tiroler Atelier des Künstlers stammenden Werke für
seine Sammlung zu sichern. Er beschränkte sich jedoch
nicht lediglich auf die Erwerbung von Originalgemälden,
er bemühte sich auch um Studien und Entwürfe zu
manch ausgeführter oder auch nur geplanter Arbeit
und er ließ es sich schließlich nicht nehmen, für das
Werk des von ihm so sehr geschätzten Meisters einen
eigenen, besonders ausgestatteten und beleuchteten
Raum zu schaffen. Das für Egger-Lienz bekundete
freundschaftliche Interesse übertrug Hauer in mehr
oder minder sichtbarer Abstufung ferner an den Tiroler
Lanzinger und an den Wiener Sterrer. Et ließ sich
von Kokoschka malen und brachte eine größere
Anzahl von Arbeiten dieses vielumstrittenen Künstlers
in seinen Besitz. Ein Hauptteil derselben wurde bekannt
lich vor einiger Zeit vom Berliner Kunsthändler
Cassirer erworben. Zu seinen Schützlingen zählte
* Auszug aus den uns von der Auktionsfirma C. J. W aw r a
in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellten Aushänge
bogen des Versteigerungskataloges.
zuletzt noch Egon Schiele, der hervorragende, leider
früh verstorbene Jung-Wiener Zeichner und Maler.
Nun sollen die Sammlungen Franz Hairers, welche
nach dem Tode ihres Besitzers, insbesondere durch
den Verkauf seines Döblinger Hauses, obdachlos ge
worden sind, unter den Hammer gelangen.
Mehr als ein Drittel der Bilder, die in dem Auktions*
kataloge angeführt werden, entfällt auf das Werk Albin
Egger-Lienz’. Wir können die künstlerische Tätigkeit
des heute auf der Höhe seines Schaffens stehenden
Malers fast in all ihren wichtigsten Entwicklungsphasen
verfolgen. Wir finden unseren Künstler zunächst mit
einigen Studien aus seiner Münchener Akademiezeit
vertreten. Es sind farbige Impressionen voll Ursprüng
lichkeit und Frische, intim beobachtete Interieurs
von genrehaft-idyllischem Einschlag und ein paar
Landschaften, die wirksam arrf die heimatliche Note
abgestimmt wurden. Wir heben unter diesen Früh
arbeiten namentlich hervor: „Die Prozession“, die
im Innern einer Tiroler Landkirche von rotgekleideten
Mönchen mit langen, weißen Kerzen geleitet wird —
ein prachtvoller Lichtkegel, der sich allmählich in das
schwere Dunkel des Kirchenraumes hineinschiebt,
ferner die Studie „Am Kirchenchor“, mit dem orgel-
spielcnden Mönch und den singenden Frauen, die von
einer seltenen Delikatesse der Stimmung und Farben
gebung zeugt, und nicht zuletzt den Entwurf zum
„Charfreitag“, dessen Original sich in der Wiener
Staatsgalerie befindet.
Unmittelbar nach dem Verlassen der Akademie
entstand das „Ave Maria nach der Schlacht am Isel-
berge“, eine Komposition von ungewöhnlichem Schwung,
in welcher, trotz des unverkennbaren Einflusses von
Defregger, das Streben des Künstlers nach einer eigen
starken, auf das Monumentale hinzielendcn Richtung sich
schon merkbar ankündigt. Das Bild ist in zwei Exem
plaren erhalten. Das größere bewahrt das „Ferdinan
deum“ in Innsbruck, die kleinere, vielleicht noch ge
schlossenere Fassung, erw r arb Hauer. Im „Vorfrühling
in Tirol“ sind drei Männer mit dem Zusammenhämmern
eines Holzhauses beschäftigt. Ahnen sie das Fiühlings-
wunder, das da kommt ? In den Zügen des Knaben,
der nicht mittun kann, scheint sich Erwartung und eine
unbestimmte Bangigkeit zu mischen. Er blickt zu den
schneeigen Gipfeln empor und träumt...
„Der Totentanz von Anno Neun", dessen Voll
endung in das Jahr 1908 fällt, bildet einen Markstein
in der Entwicklung Egger-Lienz'. Hier hat sein Streben