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DAS SCHREIBZEUG EINER ERZHERZOGIN
AUS DER RENAISSANCEZEIT 50 VON
HEINRICH MODERN -WIEN 50'
AS Schreibzeug fürstlicher Standespersonen
im XVI. und XVII. Jahrhundert, oft ein
Bestandtheil des Toilettezeuges, manch-
mal ein selbständiger Theil der Silber-
kammer, war Gegenstand reichster
künstlerischer Ausführung. Tintenfässer
und Streusandbüchsen wurden aus
Halbedelsteinen und Bergkrystallen ge-
schliffen, mit Edelsteinen in Gold und
Silber montirt, auch aus Silber oder Gold
getrieben und gegossen. Verhältnis-
mässig wenige Stücke sind uns erhalten, noch viel seltener sind
die dazu gehörigen Schreibtischgarnituren. Nach alten Inventaren
und Schilderungen bestanden die Schreibzeuge hauptsächlich aus
Tinten- und Streusandbüchsen, Schere, Messer, Pfriemen und Brief-
stecher (Perce-lettres). Der Briefstecher, der sich nur bis zum Aus-
gange des XVII. Jahrhunderts erhalten hat, weil damals bequemere
Briefformen in Aufnahme kamen, ist besonders charakteristisch, es
war ein spitzes Werkzeug zum Durchbohren des Briefpapieres und
Durchziehen der Seidenschnur, an welche das Wachssiegel geheftet
wurde.
Die vier Stücke eines Renaissance-Schreibzeuges, die wir in
umstehenden Abbildungen reproduciren, dürfen deshalb erhöhte
Aufmerksamkeit beanspruchen.
Die Griffe und Stiele sämmtlicher Stücke sind aus getriebenem
Silber, die Werkzeuge selbst aus Eisen mit geschnittenen, gravirten
und vergoldeten Ornamenten, Symbolen und Monogrammen. Die
Fingergriße der Schere sind von je einem Amor, der einen Löwen
zügelt, gekrönt, die beiden Stangen sind mit den Wappenfiguren der
Medici, den „Palle" und den Lilien, zwischen welchen sich das
Monogramm Q) befindet, geziert, die Scherenblätter tragen Mono-
gramme und Insignien des goldenen Vliesses, der Scherenschild hat
die Form eines Helms, geschnittene, gravirte und vergoldete Flammen
leiten zu den Stangen über.
Der Briefstecher besteht aus einem sehr spitzen, glatten Bohrer,
auch hier leiten die eben geschilderten Flammen zu dem Silberstiele
über, der mit einem stilisirten Lorbeerzweige geschmückt ist, welcher