schätzung, und zwar nicht bloss durch das Material, das köstliche
Elfenbein, aus dem die Hülle gefertigt ward, sondern vor allem durch
den künstlerischen Schmuck der Aussenseiten mit ihrer figuralen und
omarnentalen Zier. Meister der Schnitzerei bewährten ihre Kunst
daran, indes in der Klosterzelle der kunstfertige Mönch seinerseits
das sorgfältig geglättete Pergament mit kühnen Schnörkeln und
gleichmässigster Schrift mehr bemalte als beschrieb, zugleich noch
Buchschliesse aus Silber
Raum lassend für die kunstvolle Arbeit des Miniators, dem es vor-
behalten war, für das Erdachte und Geschriebene das verständliche,
verklärende Bild liebevoll darzustellen.
Welche Summe von Fleiss, Geschicklichkeit, Ausdauer und
Können steckt in diesen ehrwürdigen, schwer beschlagenen, wuchtigen
Folianten. Wie neckisch und läppisich sehen dagegen selbst unsere
Classikerausgaben, die Classiker auf Löschpapier, aus. Es ist leider
wahr, wenn auch eine Ketzerei, es einzugestehen: unsere technischen
Fortschritte haben uns in der Ausnützung und Verfolgung selbst der
wertlosesten und vergänglichsten Stoffe künstlerisch eher geschadet
als genützt. Man betrachte nur die Farben der mittelalterlichen
Bilderhandschriften, ihr leuchtendes Roth, ihr tiefes Blau, ihr pracht-
volles Gold. Man vergleiche das elende und doch so widerstandsfähige
Papier von Anno dazumal mit unserem heutigen, das wir freilich
nicht missen möchten, dem wir aber förmlich Gewalt anthun, um
flüchtigen Moden zu gefallen. Zu jeder Thorheit gibt es sich her, nur
um „ganz neu" oder „unübertroffen billig" zu sein.
Das Papier, schon ein Surrogat gegenüber dem Pergament, hat
wohl gerade deswegen seinen Eroberungszug nur sehr langsam
fortsetzen können. Verbot doch z. B. Kaiser Friedrich II. im Jahre 1231
ganz ausdrücklich, Urkunden auf Papier zu schreiben, und noch im
XIV. Jahrhundert mussten die italienischen Notare sich verpflichten,