Neue Winterchorkapelle (1893)
Persönlich ist er Wien fremd geworden, er wohnt seit Jahrzehnten in München oder
Maria-Einsiedel. Auch seine Kunst war, seitdem die Malerei moderner geworden, hier
immer seltener zu sehen. Er geht, wie Canon, ganz und gar in den alten Niederländern
auf. Er malt Frucht- und Blumenstücke von einer saftigen Lebenswahrheit und dabei
einem historienmässig grossen Wurf, wie die De l-Ieem und Van Huysum. Aber er thut
dies auch ganz und gar in ihrer Auffassung und mit ihren Mitteln. Seine Bilder würden,
in einen Saal voll alter Niederländer gehängt, gar nicht abstechen. Sie sehen auch
ebenso angealtert, nachgedunkelt und im Firnis vergilbt aus. Die Senilitätserscheinungen
alter Gemälde, deren Nachahmung unter den Händen Lenbachs und seiner Leute ja schon
eine Stillebenkunst an sich geworden ist, bildet auch Kunz mit erstaunlicher Virtuosität
nach. Da ist denn Rembrandt eine Hauptquelle, namentlich in älteren Bildern, wo Kunz
gern aus braunsten Tiefen, in denen alle Form verschwindet, einzelne Theile in brillanter
Farbe und sorgiältiger Ausführung hervorstechen lässt. Man denkt an die Schmucksachen
seiner nachtumhüllten Amsterdamer Schönen. Die goldenen Reliefhelme auf einem der
grössten älteren Bilder, mit schwerem Atelierkram aus der Makart-Zeit, erinnern ganz
deutlich an den so pastos herausmodellirten Goldhelm, den Rembrandts Vater (Berlin)
auf dem Kopfe hat. Die schwächeren Bilder schwimmen in der bekannten „Sauce", und
einige machen in der That den Eindruck stark abgelagerter Farbendrucke. Auch werden
die Beziehungen des Künstlers zur Natur zeitweilig gar zu lax. Es gibt da ganz grosse
Stilleben mit Esswaren jeder Art, die aussehen, als seien sie nicht nach natürlichem
Mundvorrath gemalt, sondern nach dessen porzellanenen Nachahmungen, aus denen sich
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