95
Ist das nicht ein erlösendes Wort? Aber wer wird es verstehen, der
nicht in den Geist jener Kunst eingedrungen ist? Sind wir es aber, so werden
wir auch den Geist unserer Kunst leichter erfassen.
Zwei Vogelköpfe aus Holz mit kerbgeschnitzten Verzierungen (sogenannte Tcdtenschuhe) aus den Gräbern
von Oberflacht. Stuttgart
Der Weg dazu ist uns von Riegl eröffnet. Und wenn ich auch überzeugt
bin, dass es wie bei seinem früheren Werke und allen grossen Umwälzungen
noch Jahre brauchen wird, bis das Neue ganz erfasst ist, auf die Dauer
wird sich seinen Ergebnissen niemand verschliessen dürfen.
Das Kunstgewerbe hat heute eine Wissenschaft, eine Wissenschaft, die
jeder anderen an Tiefe der Gedanken gleicht.
Die Behandlung des spät-antiken Kunstgewerbes auf Grund der öster-
reichisch-ungarischen Funde wurde seinerzeit vom Grafen Latour, noch in
seiner Eigenschaft als Sectionschef angeregt; die Herausgabe ward dem
unter Hofrath Otto Benndorfs Leitung stehenden k. k. österreichischen
archäologischen Institute anvertraut. In besonderem Grade sind wir aber
auch dem k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht zu Dank verpflichtet,
dass es sowohl dem Herausgeber als dem Verfasser die Möglichkeit
gab, ihre Absichten so durchzuführen, wie es hier geschehen ist: geistig
von unendlichem Reichthume, und in der Erscheinung, besonders in den
von der Hof- und Staatsdruckerei hergestellten Abbildungen, von muster-
giltigem Werte. Es ist ein Ruhm Österreichs, seiner Wissenschaft und seiner
graphischen Künste.
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN S0 VON
LUDWIG HEVESI-WIEN 50
STERREICHISCHE KÜNSTPFLEGE. Mancherlei Symptome zeigen deut-
lich, wie das Kunstinteresse immer mehr in das tägliche Leben des Publicums dringt.
S0 ist vor kurzem erst das Unternehmen der „Wiener Kunstwanderungen" ins Leben
getreten. Durch ein Comite, in dem wir Namen wie Baron Bourgoing, Gräfin Aglaä Kinsky,
Fürstin von Montenuovo, Markgraf Pallavicini, Philipp v. Schoeller und anderen begegnen,
x3"