Was für die Charak-
teristik Byam Shaws
wichtiger ist, als seine
Auffassung des Sujets,
deren Fehler man wie-
der seinem Übermut
zuschreiben darf, wel-
cher aller herkömm-
lichen Ideen spottet, ist
die eigentümliche Mal-
weise, welche in diesem
Bilde des Künstlers
schwächste Seiten zu
die Augen geradezu be-
leidigendem Ausdruck
bringt. Das Bild - ein
Galeriewerk von be-
deutender Grösse - ist
in Stücken gemalt, und
wenn auch die Kompo-
sition einheitlich ist,
kann von einem Farben-
plane nicht die Rede
sein. Jede Figur, jedes
Kostüm ist nach der
Natur gemalt, und zwar
mit grösster Sorgfalt bis
ins kleinste Detail auf Byam Shaw, Aus der Illustrations-Serie „Der Prediger Salomo"
Weissern Grunde ausge_ („Denn in Eitelkeit kommt er . . . ", VI, 4)
führt, mit absoluter
Ausserachtlassung jeder Rücksicht auf harmonische Wechselwirkung der
Farben. Der Hauptfehler der Präraphaeliten ist hier ad absurdum geführt. Ein
Gesicht zum Beispiel wird in reinen Fleischtönen gemalt; um diesen Kopf
herum wird später das saftige Grün der Wiese gesetzt, die Wirkung dieser
neuen Farbe auf das Fleisch aber vollständig ignoriert! Die Farbenzusammen-
stellung ist sozusagen dem Zufall oder der Laune des Kostümiers über-
lassen, welcher den Künstler mit Stoffmaterial versorgt. So Findet man neben
dem an sich genügend hässlichen, giftigen Rosa des Venuskleides das
Purpurrot der Messalina und das Braun und Gold des Brokatmantels von
Michelangelo, eine Farbenzusammenstellung, die an Geschmacklosigkeit
ihresgleichen sucht. Das Ganze wirkt wie ein Mosaik oder wie ein buntes
Kirchenfenster ohne die ausgleichende Transparenz des Glases. Es ist für
die Grösse von Byam Shaw's Talent bezeichnend, dass bei all diesen
schreienden Fehlern das Bild doch anziehend ist, dass man es vom ästhe-
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