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Tartarendorf Murzutf und den Palast des
Tartarenchan in Baktchissarai aufs Papier.
Und diese Handschrift ist immer von
einer so zierlichen Akkuratesse, wie mit
der Feder eines Miniaturisten gemalt; an
alte Stammbuchblätter denkt man bis-
weilen. Alts feinste Kunst aber genießt
man, wenn man seine nachgefühlten
Architekturzeichnungen betrachtet. Das
ist eine Kunst voll erlesenen Filigranreizes,
wie er gotisches Maßwerk in spinneweb-
feinen Zügen aufleben läßt, gleich Spitzen-
mustern wirkt es. Wie Menzel liebt Alt
die Juwelenphantasie der Barockkirchen
und strichelt mit minutiösem Stift ihre
Ornamentik nach. Wie gestochen liegt
das da und seine italienischen Palast-
fassaden haben oft das Aussehen gravier-
ter Elfenbeinplatten.
Stofflich ein Gegenstück zu diesen
Stadtinterieuren und zu der Stimmung
Alt-Wien bildet die Sonderausstellung Alt-
Berlin des Professors Jakob.
Er hält die breiten Treppen und die
geräumigen Flure und die engen winkligen
Gassen der ältesten Teile Berlins treu-
fleißig fest. Kulturdokumente, oft von
heimlichem Fontaneschen Reiz, sind diese
Treppenhäuser von der Poststraße und
dem Mühlendamm mit ihren weit ge-
schwungenen Stiegenführungen, den
schmiedeeisernen Geländern in der Zopf-
ornamentik, die Nikolai- und Marien- Krawatte in Flachstickerei
kirchenaufnahmen, das scheckige Dächer- Entwurf von Franziska Hofmanninger
gewirr von Neu-Cöln am Wasser, die
Inselbrücke und die alte Herkulesbrücke, die Schilderei der Friedrichsstraße und der
Schloßfreiheitbuden mit ihren Bilderbogeniiächen, die Winkelhöfe der Petristraße mit ihren
hölzernen Galerien, die Giebelder Grünstraßenhäuser, die charakteristisch die„Särge"heißen.
Neben diesem alten Berlin das neue Berlin Skarbinas.
Skarbina hat sich früh die moderne Großstadtstimmung zum Motiv genommen. Doch
in seinerBerlinerLuft schwingt ein gewisses Parfum, das den Ursprung am Pariser Boulevard
hat. Er liebt die Lichteffekte der abendlichen Großstadtstraßen, die Feerien der elektrischen
Monde und die leuchtende Flut, die aus den Auslagen der Bazare strömt, das Gewimmel
der Droschken und Omnibusse, die Phänomene der Laternen im Nebel, wenn ihre Flammen
wie zitternde Dotter im Astralhof schwimmen. Man denkt an Charpentiers „Ville de lu-
miere". Skarbina sucht noch nach Steigerungen solcher Lichteffekte; er bildet die natür-
lichen Feuerwerke und die Illumination nach, die der Weihnachtsmarkt mit der kaleido-
skopischen Licht- und Farbenmosaik der bunten Spielzeugbuden, den Lampions, den Kerzen-
pyramiden der Tannenbäume bietet und die Magie des Bahnhoffeldes von einer Brücke
aus gesehen, mit dem Spiel der Signallaternen, blitzend durch die Wolken der Lokomotive.
Die Frauen, die über diese Straßen schreiten oder schlank aus einem Wagen
steigen, heben sich mit der Grazie der Pariserin die Röcke. Skarbina hat aber auch den
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