Aus den Villacher Fachkursen xgo5. Christus, Studie von j. Öfner (Kurs Professor Breitner)
Reine Musikgenießer, die zur bildenden Kunst nur ein laxes oder gar kein Verhältnis hatten,
sträubten sich grundsätzlich gegen solche Hilfe. Beethoven und Wagner sollten dergleichen
nicht nötig haben. Aber wenn Richard Wagner, der Gesamtkünstler, heute lebte, würde
er vermutlich Alfred Roller für Bayreuth anwerben. Damals kannte man diese Mögliche
keiten noch nicht. Jetzt, für die festlichen Mozart-Tage, hat Roller neue, lange Schritte
getan, die vielleicht in die Zukunft hineinführen. Seine Ausstattung des „Don Giovanni"
ist ein entschlossener Versuch, den spezifischen Bühnenraum zu gestalten als annähernden
Idealrahmen für Bühnenvorgänge. Er bildet eine Szene aus typischen Baueinheiten, die er
„Türrne" nennt. Einstöckige Phantome einer Baulichkeit, praktikabel, mit Fenstern, die
den Schein von Bewohntheit oder Benützung als Erker und so weiter ermöglichen. lm
Proszenium paarweise aufgestellt markieren sie den Raum, der hinten durch einen
gemalten Prospekt abgeschlossen wird. Bei größerer Tiefe der Szene werden mehr
„Türme" aufgestellt. So ist eine Art Passepartout für sämtliche Szenenbilder geschaffen,
das keine Architektur und kein Gemälde vortäuschen will. Roller würde sogar noch weiter
gehen und auf Prospektmalerei verzichten, indem er die Szene hinten durch Türme schließt
und diesem Abschluß allenfalls ein Gemälde (das aber auch von Klimt oder sonstwem sein
könnte) als stimmenden Akzent aufsetzt. Nach Bedarf könnten noch andere Mittel ange-
wendet werden, Teppiche zum Beispiel, wie seither mit schönem Erfolge in einer Szene
der „Entführung aus dem Serail". Der Künstler ist überzeugt, daß eine so gestaltete Bühne,
bei ihrer großen Neutralität, fast für das ganze klassische Repertoire tauglich wäre. Mozart
wäre mit „Figaros Hochzeit" auszunehmen, da hier die Szene ein Zeitmilieu darstellen muß.
Die romantischen Opern und Richard Wagner verlangen gleichfalls ihre eigene Szenerie.
Ein Zug, der diese Neutralszene Rollers besonders charakterisiert, ist der durch alle
Szenen identische Fußboden, ein Teppich mit grauem Gitterrnuster, das je nachdem
Straßenpliaster, Saalparkett oder Camposantofliesen bedeuten kann. Bei der Ausstattung
des „Don Giovanni" war der Prospektmalerei noch ein weiter Spielraum gelassen. Auch
machten diese Dekorationen einen großen Effekt, aber immer im Sinne der Szene. So das
Schloß Don juans: eine breite helle Renaissancefassade in der Mittagsglut, hochragend
(man konnte an Villa d'Este in Tivoli denken), über das Grün geschnittener Hecken und
Alleen einherleuchtend, dazu ein intensives Himmelblau und ein enormer Flor roter
Oleander. Das Ganze mit seinen förmlich heftigen Farben, in der Fläche gehalten und
unisono das Auge anfallend, gewiß der Ausdruck einer gewalttätigen Sinnlichkeit, die in
solchem Hause haust. Das wäre noch Werkzeug aus der alten Rüstkammer, allerdings mit
Feinheit und Originalität gehandhabt. Und aus künstlerischem oder vielmehr artistischem
Verständnis der Oper heraus. Hier ist sie einmal mit den Augen des bildenden
Künstlers angesehen. Man merkt dies selbst am Kostüm. Etwa an der gewaltigen, kühn
geschweiften weißen Feder am l-Iute Don juans, die der Textstelle entspricht: „Ihr könnt
ihn erkennen am Mantel, am Degen und an seiner weißen Feder." Es ist wie der panache
blanc Heinrichs IV., nach dem sich sein Heer im Schlachtgewühl orientierte. Der Mann
mit der weißen Feder: so heißt er für das Auge. Natürlich hat Rollers Ausstattung viel
Für und Wider entfesselt. Eine große Partei würde Mozart in seiner alten konventionellen
Form vorziehen. Damit ließe sich ja reden, denn es hat Sinn. Aber welche wäre denn diese