Illuminierenden Schimmerschein gießt Castelucho darüber aus und die Gestalten der
Musiker im Hintergrund erscheinen zu den umsprühten Tänzerinnen-Phantasrnagorien des
Vordergrunds wie Phantome in Grau.
An solchen grauen Hintergrundsinfonien erkennt man den Schüler Whistlers, mit
dessen toniger Distinktion sich dann die Feuerwerkerei eines Anglada mischt.
Neben Castelucho, dem Fünfunddreißigjährigen, erscheint der dreiundzwanzigjährige
Jose Maria Lopez Mezquita. Er liebt mehr die Freilichtmagien als die paradies artiiiciels
des Bühnenlichts. Er malt das weißtlimmernde Granada wie ein Bimmerndes Mittags-
gespenst, er malt einen im Freien hingestreckten Schläfer, auf dessen Körper die Sonnen-
kringel tanzen, auf dem Hintergrund der Lattenmusterung eines I-Iolzzaunes.
Das Nachtbild von ihm, der spanische Volksball, hat in der Beleuchtung wenig
Reiz, die Figuren und Gesichter verschmelzen nicht zu einem farbigen Ensemble, sie
bleiben zeichnerisch hart im Raum. Gut als Charakteristik ist nur der Vorderabschnitt,
die Leiste der drei Musikantenköpfe, deren jeder mit den erloschenen Augen einen andern
Typus des Blindengesichts darstellt.
Von den andern Bildern der Schulteschen Oktoberausstellung sind noch die sehr
distinguierten Gesellschaftsporträte des Wiener Malers Paul Joannowitsch zu nennen.
Ein junger Schweizer Künstler, Johann Bossard, zeigt sein Werk gleichzeitig auf zwei
Bühnen, die Zeichnungen und Lithographien bei Amsler und Ruthardt, die Skulpturen
bei Keller und Reiner. Mehr Denken als Gestalten ist seine Art und das grüblerische Zu-
sammenballen von Gedankenfetzen aus der Nietzsche-Welt hat oft etwas Peinliches. Die
Monumentalplastik, „Das Leben", eine farbige Bildnerei lebensgroßer Gestalten, ist in
ihren Sockelgruppen ein chaotisches Leibergemisch und trotz der vielen Körperlichkeiten
bleibt sie ganz abstrakt. Geschmack fehlt ganz, der Grundstein der Skulptur hat vier
Ausläufer, die als Masken gebildet sind, und zwar nicht stilisiert, sondern als realistische
Gesichter mit stark ausgebildeten Nasen, die als Vorsprünge aus der Fläche aufragen und
unfreiwillig komisch wirken.
Das graphische Werk zwingt auch nicht. Die Mottos und Leitsprüche, der ganze
Ballast und Wust unverdauter Zarathustraweisheit läßt kalt. Was vielleicht als Tiefsinn
empfunden wurde, wirkt gemeinplätzlich: flach abgegriffene Münzen aus zweiter und dritter
Hand und eine abgelesene Terminologie, die sich an pathetischen Literaturen versehen hat.
Bossard schreibt zum Beispiel über seinen Zyklus der jahreszeiten, in dem mehr
Worte als Gesichte sind: „Als vier Spiegeln spreit ich zwischen ihnen meines Lebens
Teppich als Tanzplatz mir und meiner Eva". Das klingt sehr anspruchsvoll und ist sehr leer.
Die Federzeichnungen „Die Tragödie des Daseins" wollen apokalyptisch sein, aber sie
packen nicht mit visionärer Gewalt, sie sind getüftelt und spintisiert. Auch hier wirkt die
Handschrift Bach, kalt, kreidig, unsinnlich. Und in einem Widerspruch steht die schwind-
süchtig magere Formgebung zu den oft monströsen Themen der Blätter. Sie bringen Dar-
stellungen, die man dem Stoff nach mit Götzenbildem barbarischer Kulte vergleichen
kann: bestialische Kreuzungen, Tiere der Offenbarungen und Versuchungen, mehrköpflge
Ungeheuer, die Hörner schlangenumzüngelt, eine Sintflut von Totenköpfen, Wiesen voll
Schädeln, ein Meer von aufgespannten Rachen, Fetischfiguren mit Brüsten gleich der
Diana von Ephesus. Doch dies spukhafte Aufgebot, das philosophischen Sinn verkünden
soll, bleibt leer und hohl und im künstlerischen Ausdruck ganz und gar trocken.
x 4:
Von diesem mehr redenden als bildenden Künstler erfrischt man sich in der von
malerischem Leben erfüllten Atmosphäre Manets.
Der Salon Cassierer hat die Sammlung des Pariser Opemsängers Faures, der zu einer
Zeit, da Manet den meisten ein Ärgernis und eine Torheit war, eine hervorragende Aus-
lese von des Meisters Werk zusammengebracht.