953
falls fanden die Konzeptionen in den Klöstern eifrige Pflege, wurden von dort
aus entschieden beeinflußt. Die Visionen setzten sich fest in das Bewußtsein
des Volkes und befruchteten von da aus die Phantasie der Künstler, gaben
ihr eine bestimmte Richtung, ja - vermutlich sogar bestimmte Vorlagen.
Zudem wurde gerade dem Einhorn mit seinem sagenhaften Leben in den
Einöden, seiner beigelegten Schüchternheit und seiner großen Liebe zur
Einsamkeit eine große Bedeutung in den oberrheinischen und hessischen
Klöstern zugelegt. Es wurde zum Ausdruck klösterlichen Lebens, zum Symbol
klösterlicher Zucht und beschaulicher Einsamkeit. So verwahrt das Kloster
Fulda einen Bischofstab aus dem IX. Jahrhundert, in dessen Krümmung das
Einhorn vor dem Kreuze kniet - zur Erinnerung an Sanct Sturmius, der in
der Einöde das Kloster gründete.
Noch möchten wir Straßburg einen bedeutenden Anteil an der Behand-
lung und Verbreitung dieses Stoffes zulegen. Die Zinnforrn im Nürnberger
Museum erinnert zu stark an die gleichzeitigen Holzschnitte der Grüninger-
schen Ausgaben des Hortulus animae des Terentius, Plenar und Virgil, daß
wir nicht die gleiche Schulrichtung annehmen müssen. In den jahren von
1483 bis 1510 herrschte in Straßburg ein so rühriges Schaffen wie kaum in
einer anderen deutschen Stadt. Am großartigsten äußerte sich diese Tätigkeit
auf dem Gebiet der Bücherillustration, die in Straßburg mehr leistete als im
übrigen Deutschland zusammen genommen und das Vorhandensein einer
eigenen Straßburger Holzschneiderschule bedingte. Die Ofiizinen des Martin
Schott, Grüninger, Wilhelm
Schaffner, der beiden Knob-
lauch und beiden Flach bo-
ten mit ihren Holzschnitten
Künstlern und Kunsthand-
werkem Anregung und
Vorlagen. Als Beispiel hie-
für wählen wir aus den
kunsthistorischen Samm-
lungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses das deutsche
Schmuckkästchen des aus-
gehenden XV. Jahrhun-
derts. Die in Buchsholz
geschnittenen Reliefs mit
Szenen aus dem Leben der
Waldmenschen sind den
Holzschnitten im Straß-
burger Plenar des Martin
Schott vom Jahre x483
nachempfunden. Das Käst-
__ Maurisch-italienischer Majolikateller mit Darstellung einer Antilope.
chen tragt zudem auf dem xv. Jahrhundert, 1. Hälfte. Sammlungen am Wilczek
85'