land und Frankreich hat das frühe Mittelalter die in der altchristlichen Kunst
ausgegebenen Züge aus der Apokryphenliteratur (Maria mit der Spindel
oder mit dem Wasserkrug am Brunnen) noch vielfach beibehalten und die
Auffassung in den ersten Jahrhunderten auch bewahrt. Später treten andere
Behandlungen des Gegenstands auf. Die himmlischen Vorgänge werden
der Kenntnis des irdischen Lebens angepaßt, häufig in visionärer Verzückung
betrachtet und die Mystik wird zur Erklärung herangezogen. Wir begegnen
zuweilen Vorstellungen, die uns wenig Geist und keinen religiösen Sinn
verraten, wie zum
Beispiel zu Würzburg
im Katzenwicker, wo
der Embryo sich nach
dem Schoß der heili-
gen Jungfrau bewegt.
An der Westgrenze
deutschen Kunst-
Schaffens, am Ober-
rhein, entsteht eine
weitere Form von
Künstlerhand, die uns
in ihrer Auffassung
befremdet.
Im Kunstgewerbe
des ausgehenden XV.
Jahrhunderts ist es
eine Bronzeplakette,
welche uns diese Dar-
stellung in ziemlicher
Vollständigkeitbringt.
Dem Revers mit der
an das Paris-Urteil
erinnernden Szene
aus der Legende des Königs Alfred III. von Mercien entspricht als Avers die
Darstellung der Verkündigung. In einem Garten, der nach vorne mit einer
Zinnenmauer, nach rückwärts mit einem Turm und einer Felsenburg ab-
geschlossen ist, ruht die heilige Jungfrau auf einem Rasenhügel. Hinter ihr
liegt das Fell Gideons und weiter rückwärts steht ein Wasserkessel - bezug-
nehmend auf die Schilderung des Protoevangeliums Jacobi aus dem Ende des
III. Jahrhunderts, demzufolge Maria gerade vom Brunnen Wasser holte. Bei
ähnlichen Darstellungen finden wir übrigens an Stelle des Wasserkessels
einen mit Purpurwolle gefüllten Korb. Nach den alten Apokryphen arbeitete
Maria täglich von der dritten bis zur neunten Stunde an der Herstellung eines
Purpurvorhangs für den Tempel und war eben damit beschäftigt, als der
göttliche Bote erschien. Dem Korb begegnen wir zuerst im V. Jahrhundert;