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EIN ROMANISCHES VORTRAGEKREUZ AUS
DER FRITZLARER KLOSTERWERKSTATT
VON HERMANN VON TRENKWALD-FRANK-
FURT AM MAIN S0-
AS Kunstgewerbemuseum zu Frankfurt am Main hat
aus dem Kunsthandel ein vergoldetes Kupferkreuz
(28 Zentimeter hoch, 22'5 Zentimeter breit) er-
worben, das aus der Sammlung Boy stammt. Im
Versteigerungskatalog (Paris, 1905) ist es als ein
französisches Werk aus dem XII. Jahrhundert
bezeichnet. Der Katalog der Kollektion Chappey,
in welche das Kreuz gelangt war, nennt kein
I-Ierstellungsland. Es ist aber deutsche Arbeit,
die nicht allein zeitlich und nach ihrem Schul-
zusammenhang bestimmbar ist, sondern sich auch
lokalisieren läßt. Der Kruzilixus (13 Zentimeter hoch) zeigt den Typus des
XII. Jahrhunderts, wofür charakteristisch: Gestaltung und Ausdruck des
Kopfes, die starke Betonung der Rippen, Haltung der Arme, die auf dem
Suppedaneum nebeneinander stehenden, ungenagelten Füße, ferner die
Behandlung des faltigen Lendentuchs. Domkapitular Schniitgen hat unlängst
in der Zeitschrift für christliche Kunst (XXI, 4) an einigen Beispielen die
westfälische (sächsische) Eigenart romanischer Kruzifixe behandelt und als
Mittelpunkt für die besondere Auffassung und Ausführung das Kloster Hel-
mershausen mit der Werkstatt des Benediktinermönches Rog-
kerus angenommen. Die gedrungene, aber sehr eindrucksvolle
Gestaltung des Christuskörpers, die für jene Sonderart bezeich-
nend ist, zeigt auch das Frankfurter Kreuz. Schnütgen macht
auf die Verwandtschaft dieses Kruziiixus mit denen der Rog-
kerus-Werkstatt aufmerksam.
Weit mehr noch als der Kruziiixus deutet das Kreuz, auf
welchem er befestigt ist, auf einen Zusammenhang mit der
Werkstatt von I-Ielmershausen. Aus einer Kupferplatte ge-
schnitten und auf der Vorderseite mit profilierten Randleisten
versehen, zeigt es an der Vierung und den Balkenenden qua-
dratische Erweiterungen. Diese eigenartige Kreuzform ist uns
durch andre Beispiele aus dem XI. und XII. Jahrhundert ge-
läufig. Auch ein Werk des Rogkerus hat diese Form: das Gold-
kreuz aus I-Ierford im Berliner Kunstgewerbemuseumi". Die
Längsstreifen in
_ . Niello vom Ober-
Rückseite des Berliner Kreuzes tragt Nielloschmuck: in der m1 des Tragal-
tars im Dom zu
Vierung das Lamm Gottes, an den Endplatten die Evangelisten- Paderborn (nach
symbole. Mit Vorliebe hat ja Rogkerus die Niellierkunst geübt. „Deutsche
Schmelzarbeiten
"' Abbildung in „Illustrierte Geschichte des Kunstgewerbes". Berlin, Oldenbourg. des Mittel-
1_, Seite 24g, altersWTafel u)
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