zenz an die alten, der Natur entlehnten Vorbilder immer wieder durchschlägt.
Es ist nämlich festzuhalten, daß die Urzalmstocher in der Fauna und Flora
zu suchen sind, und erst in später Zeit Artefakte werden. Wie man das aus
der Kunstform heraussieht, bezeugen es auch zuweilen die Namen; der Zahn-
stocher heißt zum Beispiel im Griechischen xcipcpog, im Russischen cozxomolnca,
in beiden Fällen sind es Worte, die eigentlich „Strohhalm" bedeuten.
Figur 94. Nat. Gr. Zahn- Figur 95. Nat. Gr. Zahnstocher aus Goldemnil, Figur 96. Verkleinert. Zahnstocher
slocher aus Goldemail, XVI. jahrhundert (Sammlung Figdor) aus Silber, XVlLjahrh. (Sammlung
um 1600 (SammLFigdor) Figdor). lm Text nicht erwähnt
Die alte traditionelle Verbindung von Zahnstocher und Ohrlöffel zeigt
uns ein anderes emailliertes und mit Edelsteinen besetztes Stück, das un-
gemein reizvoll komponiert ist, und bei welchem ohne Zwang eine zoo-
morphische Bildung liebenswürdigen, humorvollen Charakters Platz ge-
griffen hat. Der Schwanz der schillernden Eidechse ist zum Ohrlöffel,
die Zunge zum Zahnstocher geworden. Wir bilden es auf unserer Farben-
tafel I von der Vorderseite und hier in Figur 95 von der Rückseite ab.
Wir haben Neigung, es wegen seiner Grazie nach Frankreich zu ver-
legen, aber es scheint sich zu ergeben, daß Frankreich wenig Teil hat an
der Ausbildung dieser Kleingeräte. Es sei deshalb betont, daß es aus sieben-
bürgischem Besitz stammt, und wir dürfen selbst einen so allgemeinen Hin-
weis nicht unbeachtet lassen, da er vielleicht einmal später dazu beitragen
kann, eine heimatlose Goldemaille zu lokalisieren.
Schon die ältesten Zeiten haben nicht nur, wie wir eingangs gesagt
haben, den Zahnstocher mit dem Ohrlöffel verbunden, sondern sie haben
ihn auch mit einer Reihe verwandter Kleingeräte auf einem Ringe vereinigt.
Die Renaissance geht darin weiter, sie schließt diese Einzelteile zu einem
mehrteiligen Gerät zusammen, etwa in der Art der modernen Universal-
messer, und fügt noch eine Jagdpfeife hinzu. Gerade diese Bereicherung des
schlichten Geräts haben sich die Entwerfer der Renaissance angelegen sein
lassen, und es ist ihnen schließlich gelungen, ihre Entwürfe durch Wieder-
holung und Veränderung zu kleinen Wunderwerken auszufeilen.
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