393
testen Werken der oberösterreichischen Renaissanceplastik. Der ganzen
I-Ierbigkeit einer spezifisch niederdeutschen Plastik, wie es die von Seiner
Durchlaucht dem regierenden Fürsten Liechtenstein uns gespendete Relief-
figur eines schreibenden Heiligen im Pilgerhabit ist (Abb. 8; Eichenholz,
unbemalt; Höhe 61 Zentimeter), wird man doppelt deutlich inne, wenn man
sie direkt neben unsere oberösterreichischen Arbeiten stellt. Die ganze Atti-
tüde des Pilgers, der sich auf
eine Streu niedergelassen hat,
ist die eines „Mühseligen und
Beladenen". Lange, wirre
Haarsträhne fallen in die von
sorgenvollen Gedanken ge-
furchte Stirne, schwer drük-
ken die breiten Lider auf die
Augen, fieischlos sind die
abgehärmten Wangen, der
Kinnbart ungepflegt. Es ist
etwas vorn Geiste Hebbel-
scher Schwere in dieser Kon-
zeption. Mit dem Ernst der
Empfindung harmoniert der
Ernst und die Gewissenhaf-
tigkeit der künstlerischen Aus-
führung, das Studium der
Falten, die genaue Angabe
des Stofflichen (zum Beispiel
am Hut, der die Form unseres
„]odlhutes" hat) und des De-
tails (nicht einmal der Schnal-
lennagel im Schuhriemen ist
vergessen). Wie ich einer
liebenswürdigen Mitteilung
Seiner DllrChlallCht ßlltfleh- Abb. a. Schreibender Heiliger im Pilgerhabit, Eiche, nieder-
me, begünsügt auch Pro_ rheinisch, um x5oo (Geschenk des regierenden Fürsten Johann von
venienz dieser Wandiigur die und z" Liecmnsm")
Annahme, daß es sich um eine niederdeutsche Arbeit handelt; der Fürst
hat sie nämlich in den 1870er Jahren über Empfehlung weiland Dom-
baumeisters Schmidt aus einer größeren Sammlung des damals in Köln am
Rhein lebenden Bildhauers Mohr erworben.
Unter den übrigen Neuerwerbungen dieser Gruppe sind vier holz-
geschnitzte Ölbergiiguren (abgelaugt, aus Christkindl bei Steyr) erwähnens-
wert, die, obwohl sie noch ganz romanisch aussehen, wahrscheinlich doch
kaum früher als ins XV. Jahrhundert anzusetzen sind; eine gewisse
ländliche Primitivität täuscht, in der Begrenzung ihres Könnens, oftmals
4D"