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urkundlich beglaubigten und die signierten Werke Stammels in chronologischer Reihen-
folge vorzuführen und mit Erläuterungen zu begleiten; der eigentlich kunstgeschichtlichen
Seite seiner Aufgabe ist er nicht nähergetreten, so daß hier noch manches zu tun bleibt.
Aber wir haben allen Grund, ihm und dem Verleger dankbar zu sein für das, was hier
geboten ist und was nicht weniger bedeuten will als die Wiederauferstehung eines großen
österreichischen Künstlers. Nun erst wird es möglich sein, an der Hand dieses reichen
Materials die anonymen Werke Stammels, die sich etwa in Kirchen, Museen und im
Privatbesitz versteckt halten, zu agnos-
zieren, nun erst hat die kritische
Beschäftigung mit dem Künstler ihren
festen Boden bekommen. Ubell
EMPELMASSE." Odilo Wolff,
Benediktiner von Emaus, hat mit
Unterstützung des k. k. Ministeriums
für Kultus und Unterricht eine um-
fangreiche ästhetische Studie ver-
öffentlicht, in der er die geometrischen
Grundlagen der Plangestaltung her-
vorragender antiker Bauwerke zu er-
gründen sucht. Das Hexagramrn, aus
zwei gleichseitigen in einen Kreis ein-
geschriebenen Dreiecken gebildet, er-
scheint ihm wie mehreren älterenVer-
fechtern von Proportionalitätsgesetzen
(Reichensperger, Dehio und andern)
der Schlüssel zu sein, durch welchen
die Gesetze der architektonischen Ge-
staltung aufzuschließen wären. Seit
die Aufmessung und planmäßige Dar-
stellung hervorragender Bauwerke -
insbesondere sakralerArt, wie Tempel,
Dome, Grabdenkmäler - durch man-
nigfaltige korrekte Publikationen ver-
breitet ist, hat es stets Theoretiker ge-
reizt, aus der Bilderschrift der Grund-
risse und Querschnitte die Gesetze
herauszulesen, die dem Ebenmaße
und der Proportion edler Bauwerke
zugrunde liegemWie die Naturwissen-
schaft im Bau der Organismen ma-
thematisch nachweisbare rhythmische und proportionale Grundlagen aufgedeckt hat (man
denke an den Bau der Blüten, an Kristallisationsgesetze und anderes mehr), so hat die
Ästhetik in vielen Fällen mit Erfolg aus bekannten harmonischen Kunstwerken ein Prinzip
des Aufbaues und der Plangestaltung herauslesen können. Nie wird aber mit Erfolg nach-
gewiesen werden können, daß solche mechanische Hilfsmittel von den schaffenden Künst-
lern selbst prinzipiell angewendet wurden. Nie wird darum ein einziges durchgehendes
Gesetz auf alle Werke der Architektur Anwendung finden können. Es sind Ähnlichkeiten
möglich, aber „der Stein der Weisen", der alle Gesetze der Schöpfung erkennen läßt, ist
ebensowenig zu finden wie ein Schlüssel der Proportionalität, der allen Kunstwerken der
großen Baumeister angepaßt werden dürfte.
"' Verlag von Anton Schroll k Co., Wien.
Ausstellung der Kunstgewerbeschule Wien. Madonna, Fayence,
modelliert von Rosa Krenn (Werkstätte für Keramik, Professor
Powolny)