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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 8 und 9)

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Weltkultur einnimmt, wird gewiß auch durch die großartige Pariser Puppen- 
industrie, deren Ruf sogar in Gesandtschaftsrelationen Nachhall findet, illu- 
striert. Diese Zeit des Barock, die sich allgemein durch ins Kolossale 
gesteigerte Größenverhältnisse auszeichnet, prunkt auch mit fabelhaft 
luxuriösen und teuren Puppen und Puppenausstattungen: Ludwig von 
Epernon, Bischof von Toulouse, schenkt der Tochter Ludwigs XIV., Made- 
moiselle de Bourbon, eine herrliche Puppe mit Puppenzimmer, Bettchen, 
vollständigem Mobiliar, Nachtkleidern und vielen Kostümen zum Wechseln, 
was insgesamt 2000 Taler kostete. Und im „Mercure de France" vom 
27. Juli 1722 lesen wir, die Herzogin von Orleans hätte der jungen könig- 
lichen Prinzessin 
ein prachtvolles 
Kinderkleidchen 
geschenkt, zu dem 
eine großartige 
Puppe mit voll- 
ständiger Garde- 
robe paßte, die 
mit einer Menge 
verschiedenerKo- 
stüme ausgestat- 
tet war; das Ge- 
schenk soll nahe- 
zu den Preis von 
22.000 Livres er- 
reicht haben. 
Dieses Raffi- 
_ nement erstre k e 
Abb. n. Marionettenspiel mit kämpfenden Rittern, aus dem elsässischen Hortus _ _ _ c t 
Deliciarum der Herrad von Landsberg, Fol. 2x5 (x x75 bis 1x86) sich fTelllCh nur 
auf Kleider und 
Ausstattung. Die eigentlichen Puppen waren damals noch recht primitiv mit 
ihren aus Holz geschnitzten und wenig individualisierend gemalten Köpfen, 
Händen und Füßen, die Leiber, die Arme und Beine aus von Bändern 
zusammengehaltenen Stoffbäuschen. Erst um 1800 stellen sich auch Puppen- 
köpfe aus Wachs mit Glas- oder Emailaugen ein. Während des XIX. Jahr- 
hunderts schreitet die Vervollkommnung nun rascher vorwärts. Der Körper 
wird von einem mit Sägemehl oder Kleie gefüllten Balg aus dünnem Schaf- 
leder gebildet. Um 1850 gibt es Puppen aus Guttapercha. Wenig später 
kommen die ersten Porzellanköpfe, mit richtigen, nicht mehr bloß gemalten 
Haarperücken auf, die man entweder aus ungezwirnter Seide herstellt, oder 
zu denen man die Haare des Astrachan oder der Tibetziege verwendet. Aber 
auch zur größeren Verlebendigung ihrer Figuren schritt die Puppenindustrie 
jetzt vor: Sprechende Puppen, die vermittels eines Druckmechanismus 
„Mama" und „Papa" sagen, wurden 1823 konstruiert, laufende 1826. Im 

	        
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