Sehenswürdigkeit Wiens. Als jener Meister, welcher die glanzvolle Innen-
dekoration des Palais ausgeführt hat, wird der Hofbaumeister Canneval
(Cannavale) genannt. Er ist nach Ilg ein Verwandter jener berühmten
italienischen Künstlerfamilie der Carlone, welche eine so umfassende Tätig-
keit auf österreichischem Boden entfaltet hat. Ein Canneval hat zu Anfang
der fünfziger Jahre des XVIII. Jahrhunderts die mährische Wallfahrtskirche
Slaup umgebaut, ein Karl Canneval ist der Erbauer des in den Jahren 1784
bis 1785 in der Währingerstraße errichteten Josephinums, von dem noch die
Rede sein wird. Albert Ilg hebt auffälligerweise die im prächtigsten Rokoko-
stil gehaltenen Räume des Paarschen Palastes nicht hervor. Es sind vier
Prunksäle, deren Rokokodekoration zum technisch Meisterhaftesten gehört,
was wir von diesem Stile in Wien besitzen. Der Tradition nach soll der
viel berufene französische Gesandte Kardinal Prinz Louis Rohan, welcher
während seines Wiener Aufenthaltes das Palais bewohnt hat, diese Räume
durch französische Künstler haben ausstatten lassen. Daß Rohan, der wie
bekannt in die verhängnisvolle Halsbandaffäre später tief verwickelt worden
ist, in Wien ungeheuren Luxus entfaltete, ist überliefert. Er schmuggelte
bekanntlich, teilweise zum Wiederverkaufe, französische Waren und
Kunstgegenstände in solchem
Umfange ein, daß die Zollfreiheit
der fremdländischen Diplomaten
mit Rücksicht auf den von ihm
geübten Unfug von der öster-
reichischen Regierung vorüber-
gehend aufgehoben wurde. Er
soll in seinem Botschaftspalais
in einem Jahre an Mitglieder
der Wiener Gesellschaft und
an Händler mehr französische
Seidenstoffe verkauft haben, als
in Paris und Lyon zur selben
Zeit an Mann gebracht wurden.
Sein Hang zur größten Pracht
und sein Verständnis für gute
Arbeit der Inneneinrichtung so-
wie die technische Vorzüglich-
keit der Ausstattung der in
Betracht kommenden Säle des
Palastes haben die erwähnte
Vermutung kräftig unterstützt.
Sie wird aber hinfällig, wenn wir
die Zeit, in welcher Prinz Rohan
1' in Wien war, und die vollendete
Portal eines Hauses in Preßburg Kunst der Dekoration in Betracht