ihrer ersten Äußerung offenbart die Glasmalerei einen engen Zusammenhang
mit der gleichzeitigen Deckmalerei, wie das ja auch nicht anders zu erwarten
ist. Ihre nächsten Verwandten stellen die so überaus interessanten frühesten
Wandmalereien in Burgfelden (Jüngstes Gericht) und auf der Reichenau dar;
Werke, die den deutschen Sinn für dramatische Deutlichkeit freilich in
stärkerem Maße ausgeprägt haben als die naturgemäß starr frontalen
Glaspropheten.
Während sich nun in Frankreich vor allem im Anschluß an die goti-
schen Kathedralen das streng architektonische Fenster des XII. und
XIII. Jahrhunderts ausbildet, das den steilen Rhythmus der Bauglieder in
sich nachschwingen läßt und vor allem für einen berauschenden Reichtum
an Farbigkeit sorgt, der bei der ungeheuren Ausdehnung der Fenster alle
I-Iallen der Riesenkirche erfüllt, mit einer förmlich greifbaren Stofflichkeit
der gesättigten Aureole, so bietet die romanische Baukunst des gleichen
Zeitraums dem deutschen Glasfenster nur sparsame Möglichkeiten. Es geht
ihm wie der Plastik: die Gewichtigkeit der Wand- und Pfeilermassen drückt
beide auf engen Raum zusammen, und an die I-Iochflut der Statuen und
Fenster, die das magere Pfeilergerippe der nordfranzösischen Kirche erst mit
Fleisch überziehen, ist bei der Strenge der romanischen Bauideen nicht zu
denken. So öffnet eigentlich erst der Übergangsstil nach 1200, die glückliche
Kreuzung deutschen Raumgefühls mit gallischer Konstruktivität, im wahrsten
Sinne das Feld für ausgedehntere Scheiben, und damit entsteht sogleich das
romanische deutsche Fenster, im Grunde sehr verschieden von dem spiri-
tuellen der Gotik. In Kappenberg (wo sich ein Meister Gerlach mit gutem
Recht verewigt), in St. Kunibert zu Köln und in der Elisabethkirche von
Marburg vollzieht sich die Vollendung des Monumentalfensters, in den
Gegenden, welche die Blüte des Übergangsstils erleben, und in drei
Stufen. Die letzte in Marburg um 1250, bereits in einem völlig gotischen
Bau, so daß die Unabhängigkeit der nationalen, das ist romanischen Malerei
sich mit glänzender Unbekümmertheit offenbart; gleichwohl nicht die
höchste, wenn auch berühmteste. Die reinste Ausprägung findet dieser
nationale Stil vielmehr in der (nachromanischen) Kirche von St. Kunibert,
die 1248 geweiht ist und in sechs Fenstern Heiligenliguren und Szenen ent-
hält, die mit der ornamentalen Dekoration zu einem unlöslichen Ganzen
verschlungen sind. Das altgermanische Grundgefühl in den bandartigen
Rahmungen und den Verschlingungen des Ornaments und die Gleich-
berechtigung (nicht Überordnung!) des Figürlichen mit ihnen ist von der
herrlichsten Wirkung, während in Marburg Figuren wie Szenen in Rahmen,
mit schleppender und malerisch-weicher Gewandung, viel isolierter vor dem
teppichartigen Hintergrunde stehen und darin bereits leise die Hinwendung
zu den statuarisch-architektonischen Motiven der Gotik andeuten.
Neben den Hauptwerken laufen stilgleiche, aber weniger bedeutsame
Arbeiten her in Lohne, Gelnhausen, Bucken a. W. und andern Orten. Aber
es soll und wird künftig nur auf die schöpferischenMeisterstücke hingewiesen