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Wuliher Maria Neuwirth
RUDOLF HEINZ KEPPEL.
SEIN WEG ZUM STIL DER
ESSENTIELLEN IMAGOGRAPHIE
Es begann mit dem intensiven. geistigen Erleben
unbekannter, maskenöhnlicher Menschengesichter
aut' Straßen und Plätzen und in der Straßenbahn,
Antlitze, die Gleichgültigkeit. Angst. Dämonie.
Resignation oder stumpfe Verzweiflung verrieten.
Diese Gesichter des anonymen Alltags bildeten
für den Maler und Graphiker Professor Rudolf
Heinz Keppel ein so frappantes Ereignis, daß er
sie oft noch Wochen später aus der inneren.
geistigen Schau graphisch reproduzieren mußte.
Das Resultat war eine geniale Liniensprache, das
seelische Produkt eines Künstlers. das mit einer
Nachahmung der Natur überhaupt nichts mehr
zu tun hatte. Jedes Blatt war meilenfern jeder
karikaturistischen Nuance. es enthielt Mitfühten
und Mitleiden eines tief innerlichen, stark philo-
sophisch veranlagten Künstlers. Rudolf Heinz
Keppel hatte die ersten Quader für den Bau
seines geistig orientierten Welt-.,Bildes" gesetzt.
Die völlig unsentimentalen. graphischen Aussagen
waren die Basis weiterer kontemplativ erschauter
Situationen. die sich ebenfalls auf geistiger Ebene
zu Kompositionen figuraler Gattung verdichteten.
Dabei kam Rudolf Heinz Keppel seine eminente
Sicherheit in der Bildung des Figuralen zustatten.
Die aus dem Geistleben geschöpften Gebilde
hatten andere, nur vom Sinn der dominierenden
Aussage diktierte Formen. Sie waren keine
Spiegelung und auch keine Nachbildung der
Natur. Rudolf Heinz Keppel befaßte sich nun mit
teils farbigen Monatypien auf hauchdünnern
Japanpapier. schuf Einzelblötter und Zyklen. so
die Mappenwerke ,.Die Frau". "Das Liebespaar".
nlch enthülle" (Gestalten der Apokalypse). ,.Die
sieben Todsünden". „Die Blumen". ,.Der Kelch".
Der Beschauer soll hart und kraftvoll "ange-
griffen", nicht bloß ,.ergriffen" und zu einem
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Dialog veranlaßt werden. Er sieht erschütternde,
grausige. abstoßende Aussagen, auch vor dem
priapeischen Distrikt wird nicht haltgemacht.
Niemals bedient sich der Künstler einer Schock-
wirkung. die rnit Aberglauben. Alpträumen und
Spukphünomenen kokettiert. Klarheit ist Gebot.
Zivilisatorische und Kulturlügen werden ent-
kleidet, Wahrheit ist unteilbar. Hinter jedem
graphischen Blatt steht eine positive Wett. Keppels
Gedanklichkeit ist niemals erbarmungslos.
Es folgen graphische Manifestationen mit reli-
giösen. edelmenschlichen und hymnischen Motiven.
Der eindringliche Wille des Künstlers muB ..aus-
sagen". es sollen die Seelentore der Brüder und
Schwestern durchschritten werden. Ziel ist eine
brüderliche. allesumfassende Welt.
Professor Rudolf Heinz Keppel hat für seine
Monotypien eine eigene, einerseits lapidare. dann
wieder subtile Technik erdacht und entwickelt.
Diese Monotypien. seine Lithographien und
sonstigen graphischen Blätter haben ihn zu einem
Graphiker von internationalem Rang empor-
gehoben. So konnte es geschehen. daß der seiner-
zeitige Direktor der "Albertina". Dr. Otto Benesch.
bei der Besichtigung der KeppeVschen graphischen
Kollektion im Künstlerhaus 1962 erregt ausrief:
..So ein Künstler lebt in Österreich und man weiß
es nicht," Und zu Rudolf Heinz Keppel gewendet:
.,lhre Blätter sind mindestens ebenso gut wie
die Graphiken von Frans Masereel. George Gross,
Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel!"
Mit den modernen ..Abstrakten" teilt Rudolf Heinz
Keppel die Überzeugung. daß der Naturalismus
tot ist. Während jedoch die "Abstrakten" noch
immer von einem Naturerlebnis ausgehen und
dieses wie ein elektronisches Denk- und Rechen-
zentrum - also mechanisch - fast bis zum Null-
punkt des Deutbaren reduzieren, halt Keppel
aus einem geistigen Reservoir seine Impulse und
Gesichte. Der uralten Menschensehnsucht nach
..Bilden" dient die Darstellung seiner geistigen
Welt und eines neuen Menschenantlitzes, das
dieser gemäß ist.
Ein Blick in die Vergangenheit belehrt uns. daß
Keppel ein gelöutertes Derivat seines patriarchali-
schen, elterlichen Heimes ist. Der wortkarge Vater
steiermärkischer Abkuntt war Maschinen-lnstru ktor
und mußte berufs halberseinen Haushalt in Deutsch-
land. Österreich und in Ungarn aufschlagen.
lndustriefachleute aller Sprachen verkehrten in
seinem Hause. Vater Keppel war von einer
undogmatischen, tiefen Religiosität erfüllt. Er las
jährlich der Familie das Weihnachtsevangelium
von Lukas aus der Bibel vor. Frau und Kinder
nahmen dies als sakrale Handlung entgegen.
Die Mutter. die Rudolf Heinz Keppel 1905 zur
Welt gebracht hatte. stammte aus Köln am Rhein
und war eine fröhliche. herzensgute Frau. sang
mit wahlklingender Stimme Volkslieder und
erzählte mit bestrickender lnnigkeit die schönsten
Märchen und Erlebnisse aus ihrem Leben. Rudolfs
Schwester war ein musikalisches Wunderkind.
Als freischaffender Maler und Graphiker war
Rudolf Heinz Keppel in den dreißiger Jahren ein
anerkannter Gestalter von spirituell romantischen
Graphiken. von expressiven Landschaften und
großen Kompositionen: "Apokalypse". "Blut-
Liebende' . ..Vor dem Gewitter" (Staats-
preis) .Vater und Sohn" und vieles andere. Dann
kam die Frage. deren Beantwortung den Künstler
vollkommen von der Abbildung der Natur löste
und ihn auf das primüre Kunstpostutat der Aus-
sage hinwies: gibt es eine unüberbrückbarere
Kluft als die zwischen der "Nachtwache" von