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Beispiele. Das erste (F01. 2) mit vier anmutigen Engelgestalten als Karyatiden-
Figuren an den Kanten des kubischen Tabemakels hält sich noch völlig an
das für das XVII. Jahrhundert typische Aussehen der zahllosen Aufbauten
dieser Art; der andere (F01. 3), reicher und bewegter, umfaßt die große
Komposition eines ganzen Altaraufbaues, der von vielfach gebrochenen
Konturen umrandet wird, so daß die aufgebauten Figuren und Reliefs die
Körperhaftigkeit des Kastens nach Möglichkeit aufzuheben trachten (Abb. 4).
Und zwar mit der Verfolgung eines bestimmten Planes: Die beiden Statuen
der Madonna und des heiligen jo-
hannes verdecken fast völlig die
eingezogenen Kurven der Ädikula
(die eine ovale Rahmung mit dem
segnenden Jesukind in der Mitte
gliedert), ohne aber darauf zu ver-
zichten, daß der Schwung der
Tabernakelkanten der plastischen
Wirkung der Figuren, teils ihre
Bewegungen begleitend, teils ihnen
entgegenarbeitend, nicht doch ir-
gendwie dienlich wäre. Eine lockere
Beziehung zwischen der oberen
Szene und den Freiiiguren wird
hergestellt mit dem Übergreifen
der Beine des Erlösers außerhalb
der Trennungslinie des Gesimses:
eine Überleitung, der so weit Spiel-
raum gewährt ist, daß Maria den
Fuß des heiligen Leichnams er-
fassen kann. Doch ist dieser Ver-
such, einen durchgehenden Rhyth-
mus, ein Ineinandergreifen der
Kräfte über den ganzen Aufbau Abb. 5. Aßrustolomlintwuxfiiir ein Kreuzgestell
zu breiten, gleichsam auf halbem
Wege stecken geblieben. Denn es stehen wiederum Elemente entgegen,
die diese Ansätze aufzuheben drohen. Das System einer Dreieckskom-
position, die durch die scharf gezogene Hohlkehle am unteren Saume der
Pietagruppe und deren zum Scheitel des Kreuzesstammes aufsteigenden
Konturen resultiert, bewirkt, daß die Bekrönung in sich selbst als begrenzt
erscheint. Das Gefühl der hier zugrunde liegenden Vereinigung einzelner
und für sich gearbeiteter Teile, deren Zusammenfassung ein gewandter
Meister vomahm, wird in seiner Richtigkeit bestätigt, wenn man in der
Geschichte der gleichzeitigen venezianischen Skulptur, soweit dies das bereit-
stehende Material ermöglicht, Umschau hält. Wenn man sich die auf erhöhter
Bühne zur Schau gestellte Gruppe herabgerückt denkt, so i-lndet sie in