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Volltext: Monatszeitschrift XXII (1919 / Heft 1 und 2)

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man heim Kunstwerk sucht. Alle diese Bilder und Bildchen sind fertig bis zum Letzten 
und doch vermißt man die Seele, die uns ergreift und anfaßt, sie scheint erdrückt und 
betäubt durch den Glanz der Vorfahren. 
Es ist ein österreichisches Schicksal, daß uns die Liebe zum Kleinen, Intimen, Spiele- 
rischen in ihrem Bann hält und beim Aufschwung zum Großen und Starken leider oft nur 
der Anlauf zu gelingen pflegt. 
Wenn aber doch das Schicksal einzelnen Starken die Wiege in unsere engere Heimat 
stellt, dann bleiben sie arm und vereinsamt, wenn sie nicht auch als Menschen von der 
Heimat loszukommen vermögen, ins Weite streben. Vielfältige Begabungen, Impulse 
wachsen in unserem Vaterland, sie finden nur selten in ihrer Enge den Entwicklungsraum, 
den sie benötigen. 
.. STERREICHISCHER KÜNSTLERBÜND. Der übersichtliche Ausstellungs- 
raum bei Wawra bot eine kleine Anzahl ansprechender Bilder, die keine hohen An- 
sprüche stellten. Eine ruhige, intime Naturbeobachtung, Fleiß und Geschick und manche 
feine Note ergaben jenes Zusammengehen, das anderwärts mit viel mehr Pose und Lärm 
in Szene gesetzt wird. Es sei hier nur auf einige Leistungen hingewiesen, die über das 
Gegenständliche und die Konvention hinauszugreifen vermochten. Da wäre Artur Paunzen 
zu nennen, der mit festem Umriß und einfacher Tonung auf eine Stilisierung hinarbeitet, 
die nicht leer ist, sondern Gedanken ausdrückt; daß er die lebendige Natur auch festzuhalten 
weiß, zeigen seine Zeichnungen. Karl Borschke fesselt mit einer Madonna, die stark aus 
der Umgebung hervortritt. Diese Ausdrucksfähigkeit und Wärme bei so wirksamer Einfach- 
heit erweckte lebendigste Teilnahme. Leider war nur ein Werk des Künstlers zu sehen. 
Von Emma Löwenstamm sind ein ernstes Porträt von Popper-Lynkeus (Radierung) und 
eine feine Ölstudie (Interieur) das Resultat intimer Beobachtungskunst und diskreter, vor- 
nehmer Darstellungsweise. Von A. K. Schmidt interessieren sonnige Ölstudien, aber mehr 
noch zarte Aquarelle aus dem alten Wien, die mehr als das Gegenständliche bieten. 
Dieses ist bei den lnterieurs von j. Pögl wohl das vorwiegende Element und darum 
gerade interessieren sie mehr durch das Was als durch das Wie der Darstellung. Den Raum 
beherrschten eine Landschaft und ein Interieur von Konstantin Stoitzner, die in ihrer ge- 
wissenhaften Ehrlichkeit mitbestimmend für den ruhigen Gesamteindruck wirkten. 
KLEINE NACHRICHTEN Sh 
BERÜI-IJVITE KUNSTSTÄTTEN": WIEN, VON HANS TIETZE. Die 
Erschließung der zahlreichen dunklen Gebiete in der kunstgeschichtlichen Darstellung 
von Wiens Vergangenheit hat im letzten Jahrzehnt erhebliche Fortschritte gemacht. Seit 
dem Erscheinen des ersten neuen Bandes der neufundierten Österreichischen Kunst- 
topographie, der einen Teil von Wien behandelte und Dr. Tietze zum Verfasser hatte, 
dem seine gelehrte Gattin als Mitarbeiterin zur Seite stand; seit der Ausgestaltung des 
Denkmalamtes und der Heranziehung tüchtiger Mitarbeiter und moderner technischer 
Arbeitsbehelfe ist neues Leben in dieses Arbeitsgebiet getragen worden. Die früheren 
Vorarbeiten waren umfangreich und zahlreich, haben aber einerseits mehr archäologische 
und wissenschaftlich dilettantische Ziele verfolgt, anderseits schwerer zugängliche und 
fachlich begrenzte Materialien zur Baugeschichte angesammelt. Überdies war zumeist das 
Ende der Renaissancezeit auch die Grenze der durchforschten Perioden. Nun ist die Kunst- 
geschichte vorurteilsloser geworden. Sie dehnt ihre Entwicklungsreihen bis zur Gegenwart 
aus und macht nicht halt vor Epochen, die unter dem Ruf der zumeist nur scheinbaren 
künstlerischen Unproduktivität standen. Die Vorurteile einer voreingenommenen Kunst- 
' Verlag von E. A. Seemann, Leipzig.
	        
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