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Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 1, 2, 3 und 4)

in Kenntnis ihrer eigenen Ausdrucksmittel. Noch war es nicht ihr höchstes 
Streben, ein Gemälde in seiner ganzen Bildmäßigkeit direkt nachzuahmen. 
Die Wiener Gobelinsammlung ist sehr reich an Brüsseler Bildwirkereien 
des XVIII. Jahrhunderts, in denen das Landschaftsbild zur feinsten Durch- 
gestaltung gelangt ist. Sie kennzeichnen die nationale Art des niederlän- 
dischen XVIII. Jahrhundert-Gobelins. Zwei größere Räume der Ausstellung 
sind diesen I-Iafen- und Seebildem gewidmet mit weiten Meeresprospekten, 
duftigen, durchhellten Wolkenbildungen und sich verlierenden Fernen. Als 
Staffage im Vordergrunde, kulissenförmig hingestellt, sieht man äußerst 
wirkungsvoll gestaltete Figuren. 
Eine sehr beachtenswerte Sendergruppe der Ausstellung bilden dies- 
mal Pariser Wandteppiche des XVII. und XVIII. Jahrhunderts. Auch hier 
Arbeiten von durchschlagender Kraft. Rubens" Folge mit Szenen aus dem 
Leben Kaiser Konstantins sowie eine dem gleichen Gobelinatelier ent- 
stammende Diana-Serie nach Toussaint-Dubreuil charakterisieren in aus- 
gewählten Stücken die Pariser Bildwirkerei aus dem Anfang des XVILJahr- 
hunderts. Sie sondert sich im besonderen durch eine eigenartige Farben- 
gebung von allen übrigen Schöpfungen ab. Als ein Anzeichen des beginnen- 
den Barocks erscheint beim Diana-Zyklus eine prunkvollere Durchgestaltung 
der Einzelheiten, wobei viel Goldstickerei zur Verwendung gelangt ist. 
Rubens'sche Kunst wird auf der Ausstellung übrigens noch in einem Brüsseler 
Stück aus der Decius Mus-Serie, dem Reitertod, und in Gobelins mit Jagd- 
szenen geboten, welche, von Eggermans gewirkt, ganz im Banne des großen 
Meisters stehen. 
Großartiger als im Vorjahre zeigt sich heuer in der Pariser Abteilung 
Charles Lebrun vertreten. Der mächtige Gobelin mit Alexander des Großen 
triumphierendem Einzug in Babylon, ein Erzeugnis der königlichen Gobelin- 
manufaktur, gehört zu den Hauptstücken der Ausstellung. Er wirkt auf ihr 
wie ein Fanfarenton. Das ungemein Festliche in der Komposition, die äußerst 
geschickte Lichtführung und die wunderbare F arbengebung geben ihm seinen 
besonderen künstlerischen Wert. 
Die französische Bildteppichkunst des beginnenden XVIII. Jahrhunderts 
kennzeichnen Gobelins mit mythologischen Darstellungen nach Entwürfen 
von Antoine Coypel. Der große Stil des XVII. Jahrhunderts, die Komposition 
mit großen Figuren, wirken noch nach, aber in der heiteren Tonart des 
Ganzen, in der Anmut der Bewegungen und in derZartheit der Farbengebung 
kommt bereits eine neue Kunst zum Ausdruck. 
Die Ausstellung bringt schließlich Beispiele für die unter Einfluß der 
Pariser Gobelins stehende Gattung der niederländischen Bildwirkerei des 
XVIIIJahr-hunderts. Vier Szenen aus dem Leben des Moses, die eine brillante 
Farbengebung mit einer ausdrucksvollen Zeichnung vereinen, und ein hoch- 
formatiger schmaler Bildteppich mit dem Abschied von Achilles und Thetis, 
der starke dekorative Qualitäten aufweist, gehören zu dieser Gruppe und 
schließen die diesjährige Veranstaltung würdig ab.
	        
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