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Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 5 und 6)

einen Affekt. Es sind die Gesichter von Menschen mit viel mehr Hingegeben- 
sein als Handeln. Aber nur in Augenblicken, wo sie sich diesemihrem Wesen 
ganz überlassen, stehen solche Menschen so. 
Wunderbar ist, wie innerhalb dieser ganz starken gemeinsamen Klang- 
farbe moduliert ist. Mit den leisesten Mitteln. Bei Eins ist ein leichtes Sich- 
aufrichten zu empfinden; die Bewegung, so sehr- sie alle Straffheit von sich 
abstellt, fließt nach oben; der große Faltenstrang sieht aus wie eine Anfahrt 
für eine hochzeigende Handgeste; im Gesicht ist mehr Aufmerken nach 
außen. Bei Zwei ist die Haltung fast ein augenblickliches Zusammensinken; 
das große Saummotiv geht hinunter, es wird kein Zufall sein, daß es sich 
unten staut (und bei Eins kurz anläuft); im Gesicht ist mehr Versunkenheit; 
in der ganzen Gestalt mehr ein Hinnehmen. Ob sie nicht doch eine Ver- 
kündigung sind, Eins der Engel, Zwei die Maria? 
Dann hätte dieser Bildhauer seinem Publikum viel zugetraut. Mit 
größerer Zurückhaltung wird Menschliches nie gezeichnet worden sein; und 
das wäre dann bei einem Vorwurf, für den seit jeher Rollenverteilung mit 
weit sichtbaren Akzenten vorgesehen war (neben der äußeren Unterscheidung, 
die hier auch ganz fehlt). Eine große Stille liegt über den beiden Figuren. 
Das Darstellen dieser Zeit hatte die Weite, um seelische Lagen bis zu einem 
vollen Klang abzustimmen und doch tonig zu bleiben damit; Stimmung 
schwillt bis zu Erregtheit, aber leise. Dehio hat von der deutschen Kunst 
dieser Zeit gesagt: „Es sind die halkyonischen Tage." 
- Im Stift Klostemeuburg sind noch andere gotische Skulpturen von 
rsehr ungewöhnlichem Wert; sie sollten auch bekanntgemacht werden. 
AUS DEM WIENER KUNSTLEBENSW VON 
HARTWIG FISCHEL-WIEN Sie 
ARL MOLL. In einem der großen Erdgeschoßsäle des Kiinstlerhauses haben Freunde 
Karl Molls einen Überblick über das Schafen des Künstlers geboten, der im Frühjahr 
das 60. Lebensjahr vollendet hat. (ISSx-xgzx.) Fast an derselben Stelle ist im jahre 1891 
die „Römische Ruine in Schönbrunn" zu sehen gewesen, mit der Moll zum erstenmal als 
fertiger Künstler vor die Ößentlichkeit trat und gleich einen bedeutenden Erfolg errang. 
Es ist bezeichnend für die strenge Selbstzucht und den Ernst der künstlerischen 
Auffassung des in der Schule Emil Schindlers herangebildeten Malers, der immer ganz 
der Kunst lebte und noch lebt, wie spät er sich in die Öffentlichkeit begab. Die ganze 
Frühperiode seines Schaffens ist erfüllt von dem Ringen mit sich selbst und der langsamen 
Befreiung vom Einliuß starker Persönlichkeiten. 
'Man kann in der geschmackvoll und übersichtlich angeordneten Bilderschau klar 
seinen Werdegang verfolgen, die Grundlagen und Impulse, welche aus seinem Lebensweg 
und der damit zusammenfallenden zeitgenössischen Kunstentwicklung hervorgingen. Denn 
Moll war nicht nur ein produktiver Künstler, sondern ein Interpret und gleichzeitigein Wort- 
führer starker und gesunder Bestrebungen im Sinne der Kunstförderung. 
Seine Anfänge liegen im Bannkreis der Stimmungskunst, die vom niederländischen 
Landschaftsbild, von der Barbizon-Schule und Constable, vorbereitet war. Licht und Luft 
suchte er zuerst im strengen Naturstudium der heimatlichen Landschaft. Graue, dunstreiche
	        
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