heutigen Stelle aber bereits, als Maximilian sie übernahm, an Ausdehnung
und Bedeutung den „Neuhof" hinter sich gelassen. Dazu stimmt nun auch,
daß sich bei der Mitterhoiischen Kapelle schon im Jahre 1473 eine Messe-
stiftung nachweisen läßt, bei der des Neuhofes aber erst im Jahre 1502.
Die Lage der fürstlichen Behausung an der Stadtmauer mochte gegen-
über der im Stadtmittelpunkte auch verschiedene Vorteile bieten, so die
Nähe der seit dem ]ahre 1410 erworbenen Gärten und die freiere Luft,
wohl auch eine größere Ausdehnungsmöglichkeit, obgleich auch hier Stück
für Stück erworben werden mußte. Aber noch ein anderes kam hinzu:
mochte das Vertrauen der Fürsten in die Treue der Bürgerschaft auch noch
so groß sein, es wäre ein vollkommenes Verkennen der Lage, wenn man
annehmen wollte, die Landesfürsten hätten sich unbedingt auf solche
Stimmungen verlassen können. Die Belagerung, die Kaiser Friedrich III.
im Jahre 1462 durch die Wiener Bürgerschaft in seiner Wiener Burg zu
erdulden hatte, konnte zur Warnung dienen. Der Kaiser wäre damals wohl
verloren gewesen, hätte seine Burg nicht am Rande der Stadt gelegen, so
daß er doch mit der übrigen Welt in Verbindung bleiben und dorther
Unterstützung erlangen konnte." Maximilian hatte als kleiner Knabe die
Leiden dieser Belagerung selbst mitgemacht; aber auch Siegmund, der lange
mit der Kirche und mächtigen Vasallen im Streite lag, mochte Grund zur
Vorsicht haben.
Der Fluß, der nicht nur durch Überschwemmungen gefährlich, sondern
auch sonst ein Hindernis werden konnte, sowie die damals bereits an einigen
Teilen der Stadtmauer ansetzenden Vorstädte ließen aber kaum eine andere
Stelle in Betracht kommen, als die der heutigen Burg. Dem widerspricht
- auch nicht, daß die erste Erwerbung hier vielleicht mehr ein Zufall war;
dann wurde der Zufall eben ausgenutzt. Hier lag auch im Norden ein altes
Tor (Rumertor) und ein zweites (Saggentor) mehr im Süden. Und an diesem
war schon früh das „I-Iamischhaus" gegründet, ein wichtiger Bestandteil
einer alten Burg. Wir haben auch schon eine Art „Palas" und eine Frauen-
Wohnung, einen Toxturm und verschiedene Nebenräume feststellen können,
also alles, was zu einer alten Burg gehörte. Natürlich lagen die Entstehungs-
bedingungen hier ganz anders als bei einem freiliegenden Schlosse, sowohl
was die Ausdehnungsmöglichkeiten als die Verteidigungszwecke betrifft, die
trotz allem hier natürlich gegen die eigentlichen Wohnzwecke zurücktraten.
Wenn wir die ganze Sachlage und alle urkundlichen Nachrichten ins
Auge fassen, spricht aber gar nichts dagegen, sondern alles dafür, daß die
Burg in die Zeit vor Maximilian zurückreicht, ja wir müßten zu dieser
Annahme kommen, auch ohne Dürers Blätter zu kennen. Wegen dieser
erinnern wir hier nur noch einmal ganz kurz daran, daß sie - ganz ab-
gesehen von ihrer künstlerischen Art _ wegen ihres Zusammenhanges mit
der Stadtansicht und des auf dieser ersichtlichen Zustands des Wappen-
turmes, oifenbar Dürers erster Italienreise angehören.
' Vgl. des Verfassers „Baugeschichte der Wiener Hofburg", Seite 50 ff.