Zeit der Wertzerstörung, der Verschleppung von Kunstgut, der Umgruppierung der Gesell-
schaft ist besondere Wachsamkeit geboten, um das Bedrohte, wo und wann immer es
möglich ist, zu retten. Die Tagung sollte als eine Erinnerung an diese wichtigen Aufgaben
dienen, als ein Kontakt zwischen den Faktoren, die in den Bundesländern in gleichem Sinne
wirken sollen. Sie führte zu lebhafter Aussprache und Beratung gemeinsamer Maßnahmen
und konnte als Beweis dafür gelten, daß die Verpflichtungsgefühle nicht erloschen sind,
welche unsere Kulturträger an die Kulturwerte und ihre Erhaltung binden. Wenn heute auch
die Schwierigkeiten enorm gewachsen sind, welche solcher Tätigkeit entgegenstehen, so
sind auch wieder die dringlichen Notwendigkeiten nur um so zahlreicher geworden.
Eine kleine Schaustellung in den Räumen der Niederösterreichischen Verbandszentrale,
Severingasse 9, bot den Freunden der Tagung einen Ausschnitt aus baulich und land-
schaftlich wertvollen Gebieten Wiens und Niederösterreichs in Bild und Graphik. Helene
Perger, Rudolf Pichler, julius Smolik, Hartwig Fische] boten vorwiegend Aquarelle inter-
essanter Platz- und Straßenbilder, während Em. Schaffran und Max Walter typische Land-
schaftscharaktere zeigten. Während gewisse Veduten und Ausschnitte bestimmter und viel-
besprochener „Sehenswürdigkeiten" immer wieder Gegenstand der Darstellung bilden und
in Schaustellungen regelmäßig wiederkehren, fehlt es doch an einer guten Darstellung und
systematischen Aufsammlung von Darstellungen jener untergehenden Welt von Schön-
heiten, dle zusammenhängend das Bild der Heimat aufbewahren.
A. Lichtwark hat in Hamburg „die Bilder aus Hamburg" in der Kunsthalle besonders
herausgehoben und manchen Auftrag an Künstler durchgesetzt, welcher das Ziel des
„Heimatbildes" anstrebte. In solchem Sinne hat auch die Gemeinde Wien manches Wert-
volle begonnen -- besonders als Rudolf Alt noch lebte. In Wien fehlt aber die konsequente
Betonung und Schaustellung, der dauernde Kontakt mit künstlerischen Kräften.
Die Heimat in weiterem Sinne bleibt unberücksichtigt. Und doch wäre Wien und
wäre Österreich mit seinen zahlreichen altertümlichen Städten, Städtchen und Dörfern wie
prädestiniert für eine lokale Aufsammlung von Bildern aus der Heimat, die künstlerischen
mit historischem und erziehlichem Wert in treiflicher Weise vereinigen könnte und dem
Heimatschutz so wertvolle Hilfe böte.
KLEINE NACHRICHTEN 50-
NÜRNBERGER ZINN. Mit einer inneren Schwungkraft ohnegleichen hat Erwin
Hintze seinem vor kurzem erschienenen Buche über die sächsischen Zinngießer in den
letzten Monaten zunächst ein Tafelwerk über die Erzeugnisse des Altnürnberger Zinngießer-
handwerks", dann als dessen Ergänzung ein Buch über die Marken, Lebensdaten und
Arbeiten der Nürnberger Meister bis zum Jahre 1866 "" folgen lassen. Diese Leistung ist um
so erstaunlicher, wenn man die Schwierigkeiten bedenkt, die sich heute umfangreichen
wissenschaftlichen VeröEentlichungen entgegenstellen und wenn eine genaue Prüfung der
Bücher ergibt, daB es sich dabei nicht um rasch fertige, vielleicht schillernde, aber überall
an der Oberfläche bleibende, bestenfalls die bisherige Forschung geschickt nutzende Arbeiten,
die man wohl auch „Verlegerwerke" nennen könnte, handelt, sondern um tiefgründige,
auf jahrzehntelangen, entsagungsvollen Vorstudien beruhende Wissenschaft. Hintze hat mit
seinen Büchern unsere bisherige Kenntnis von den Zinngießern und ihren Werken, zumal
den nürnbergischen, auf eine völlig neue, durchaus zuverlässige Grundlage gestellt und
mit seiner eindringlichen Kennerschaft die künftig einzuhaltenden oder einzuschlagenden
Wege gewiesen. Das sei ihm in dieser immer bedrohlicher werdenden Zeit des Scheins
' Nürnberger Zinn. Von Erwin Hintze. Mit 84 Tafeln und z Texrabbildungen. Verlag von Klinkhardl und
Bierrnann in Leipzig, rgzi.
'" Die deutschen Zinngießer und ihre Marken. Band II: Nürnberger Zinngießer. Herausgegeben von
Erwin Hintze. Mit 34x Abbildungen von Zinnmarken. Verlag von Karl W. l-lieraemann in Leipzig, xgzx.