Das Wichtigste sei hier die Feststellung des Begriffes eines Werkes der Kunst,
oder - nach Ausschliessung der Erörterungen über poetische, musikalische Werke und
Architekturwerke als solche - eines Werkes der graphischen und plastischen Kunst. in
erster Linie darf hier nicht das ästhetische Moment entscheiden, sondern die Anwendung
der einer bestimmten Knnstart eigenthiimlichen Darstellungsmittel. Dieses Unterscheidungs-
merkmal verlässt uns aber da, wo es sich um die Abgrenzung des Erzeugnisses derKunst
von dem der Industrie und namentlich der Kunstindustrie handelt. Hier wird es
nun auf die Bestimmung des mit den Mitteln einer bestimmten Knnstgattung hergestellten
oder decorirten Gegenstandes ankommen. Ist derselbe ausschließlich oder überwiegend
zur Befriedigung materieller Bedürfnisse, wenn auch mit Rücksicht auf die ästhetischen
Bedürfnisse des Gebrauchers bestimmt; dann ist er als Industrieerzeugniss zu betrachten
und steht nicht unter dem Schutz des artistischen Nachdrnckverbotes. sondern unter dem
jener Massregeln, durch welche überhaupt die Industrie gegen ungehörige Concurrenz ge-
schützt wird.
Auf literari s chem Gebiet ist die Herstellung einer Einzelcopie durch Abschreiben
völlig erlaubt; auf nrtistischem Gebiete dagegen zeigt sich in neuerer Zeit das Be-
streben, auch die Anfertigung einer Einzelcopie von der Erlaubuiss des Urhebers des Ori-
ginales abhängig zu machen.
Auf literarischem Gebiet hat (abgesehen vom Fall der Uehersetzung) die Nach-
ahmung. der Nachdruck keine selbstständige Bedeutung. Wird die letztere einer ein an-
deres Werk als Vorbild benutzenden literarischen Arbeit beigelegt, so hört sie auf Nach-
druck zu sein. Ist sie Nachdruck, so kümmt ihre Nachbildung nur als erneuerter Nach-
druck des Originals in Betracht. Auf artistischem Gebiet dagegen nimmt die Nach-
bildung eine andere Stellung ein: sie kann dem Original gegenüber Nachdruck und doch
wieder selbstständig gegen Nachbildung gleich einem Original geschützt sein. Dies erlangt
namentlich dann eine hohe Bedeutung, wenn das Original selbst gegen Nachbildung nicht
mehr geschützt ist.
Eigeuthiimliche Schwierigkeiten bereiten hier jene Nachbildnngsmethoden, welche
nicht auf eine individuelle künstlerische 'l'hätigkeit angewiesen sind, sondern im Gegen-
thcil ihres Erfolges durch Vorkehrungen sich versichern, welche dieselben von indivi-
dueller Begabung unabhängig machen, wie die Photographie, der Gypsabguss u. s. w.
Der Vortragende fasste seine Ansicht in folgende Formel: „Die Nachbildung einer schon
vorhandenen Nachbildung ist entweder unerlaubte Vervielfältigung des Originals oder un-
erlaubte Nachbildung einer künstlerischen Reproduction. Die blos mechanische
Nachahmung eines schutzlusen Originals ist dagegen meines Erachtens selbst schutzlos".
Allerdings sei aber die Photographie nicht blos ein Mittel zur Nachbildung von
Kunstwerken, sondern könne bei der Abbildung von Gegenständen der Natur, namentlich
von Landschaften und Gruppen. indi ilueller Audassung und Gestaltungsweise zum Aus-
clinck dienen: dann stelle sie Originalkunstiverke dar, welche gegen Vervielfältigung ge-
schiitzt sind. Doch komme bei auf Kosten des Bestellers angefertigten Porträts das Autor-
recht nicht dem Photographen, sondern dem Besteller zu.
Der Vortragende erörterte endlich die Frage, ob die Nachbildung von Erzeugnissen
der Plastik durch eine der graphischen Künste oder umgekehrt gestattet sei; und zum
Schluss an die Gedaukenreihe der lüingangsworts wieder ankniipfend, warnte er vor mass-
luser Ueberspnnnung des dem artistischen Autorrechte zugestandenen Umfanges.
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In der Vorlesung vom 19. December v. J. erläuterte Professor W. Exner
die Entwicklung der modernen Tnpetenfnbriration vom technischen Standpuncte. Als Be-
richtrcrstatter der Cl. I9 der Pariser Weltausstellung hatte der Vortragende reichliche Gs-
legenheit, diesen wichtigen Zweig der Industrie kennen zu lernen und eine ansehnliche
Mnstersarnmlung zu erwerben. Es gelang ihm, ein Bild von der historischen Entwicklun
und der kolossalen modernen Verbreitung der Tapete zu geben. Die Entwicklung der Pa
pierfahrication aus Hadern und Surrogaten wie Stroh und Holz, die Anwendung der Ma-
schinen zum Bedrucken der SwEe für den Papierdruck, nämlich Model- und Walzeudruck,
die verschiedenen Farbstode. wie Anilin, die Vergoldung und Veloutiruug etc. wurden ein-
gehend erwähnt und höchst interessante Einzelheiten mitgetheilt, die auch für ein grösseres
Pnblicum als du der Fachmänner, die zahlreich erschienen, lehrreich waren. Die statisti-
schen Angaben über die Verbreitung der Tapetenfnbricstion vernichteten das alte Vorur-
theil, dass Frankreich dominire.
Paris hat in seinem Fanbourg St. Antoine die Centralisation der ganzen französischen
Fnbrication, da Zuber in Rixheim im Elsass als Deutscher, der nur mit deutschen Arbei-
tern fabricirt, zuDentschland gerechnet werden kann. Letzterer fsbricirt in mehr als hun-.
dertzwanzig Fabriken, die aber zerstreut in den verschiedenen Staaten mehr und weniger