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nisse, welche die antiken Arbeiten selbst um.ihres Geschmackes, ihrer
Feinheit und sonstiger Beschaifenheit willen der Nachahmung entgegen-
stellen.
Die moderne Goldschmiedekunst, die mit dem Cinquecento einen
neuen Aufschwung genommen, hatte sich in doppelter Weise von der
antiken entfernt, technisch und formell. Die wunderbaren Schmuckgegen-
stände, welche die etrnskischen und indisch-griechischen Gräber enthüllt
haben, hatten damals noch nicht (zum zweiten Male) das Licht der Welt
erblickt, und so lagen den Künstlern des Cinquecento von dieser Art
keine elassischen Muster vor, wie den Bildhauern oder Architekten. Sie
verfuhren daher in Formen und Ideen selbstständig und unabhängig; sie
gebrauchten aber auch andere Werkzeuge, andere Methoden, andere Ver-
zierungsweisen, wie sie z. B. das Email in einer nach Art und Grad den
Alten ganz unbekannten Weise zur Goldschmiedekunst herbeizogen.
Aber diese Cinquecentisten hatten wenigstens etwas gekonnt; sie
waren vielseitige und überaus geschickte Künstler gewesen, während in
den nachfolgenden Jahrhunderten die Goldschmiedekunst tiefer und tiefer
sank, an Ideen verlor, in den Formen verwilderte, in der Technik sich
verschlechterte und manche Verfahrungsweise ganz verlernte. Die schlechte,
nüchterne Art, wie die französische Revolution und das Kaiserreich epi-
sodenmässig die Antike in Mode brachten, konnte den Verfall nicht auf-
halten. Als man von dieser Art Antike genug hatte, wurde die Gold-
schmiedekunst ganz der Laune und Mode unterworfen, auf die man specu-
lirte: sie hörte auf eine Kunst zu sein.
Da kam im Anfange dieses Jahrhunderts zuerst ein Neapolitaner
Goldschmied, Namens Sarno, unterstützt von den Archäologen seines
Landes und begünstigt durch die reichen Ausgrabungen und Sammlungen,
auf den Gedanken, die antiken Goldarbeiten in ächterer Weise als bisher
geschehen zu imitiren. Er schien auch Anfangs Erfolg zu haben, aber
man weiss nicht wie, da Geschäft löste sich auf und die Arbeiter setzten
das Erlernte nur insofern fort, als sie Fälschungen machten, welche in
Neapel zu einigem Rufe gelangten, für die Wiederbelebung der Kunst
aber ganz gleichgültig waren.
So waren es vom künstlerischen Standpunkt die traurigsten Zeiten
der Goldschmiedekunst, unter denen der junge Fortunato Pio Castel-
lani 1814 zu Rom seine Werkstätte eröffnete. Natürlich begann er wie
alle anderen damals mit der Nachahmung der französischen und englischen
Schmuckgegenstände. Er fand aber bald, dass er diese im Punkt der
Arbeit übertraf, und die bisherige Weise wurde ihm zu eng und zu be-
schränkt. Da warf er sich zuerst auf die Chemie, um mit ihrer Hilfe
seine Kunst zu erweitern. In seinen Untersuchungen vom römischen Uni-
versitiitsprofessor Morchini geleitet und vom Abhe Feliciano Scarpel-