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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1872 / 87)

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Bestreben, von edlerem Geiste man: werden. Diesführt zu dem mit jenem der ersten 
nahe zusammenhängenden Themader naclisten Vorlesung, i-uber die Ursachen des Ver- 
falles der grossen Kunst in der Malerei". . 
In der Donnerstags-Vorlesung vom 30. October sprach Director v. Eitelberger 
aüber die Ursachen des Verfalls der grossen Kunst (oder des grosseu Styles) in .der Malerei-t. 
Der Vortragende beganiiseine Betrachtungen mit der Bemerkung, dass es ihm nicht im Ent- 
ferntesten einfallen könne, das Thema desselben in Einer Vorlesung zu erschöpfen. XVas 
er beabsichtige. iei nur einige Gesichtspunkte anzuregen, und praktische, auf Oesterreich 
sich beziehende Bemerkungen daran zu knüpfen. Aus dem Vortrag waren daher diese 
Ursachen nur auf dem Wege von Rückschlüssen herauszufinden, derselbe verbreitete sich 
nämlich nur über die Mittel zur Ptlegeder grossen Kunst im Allgemeinen. In dieser 
Beziehung müssten insbesondere drei Dingeins Auge gefasst werdenLErstens müsste dem 
künstlerischen Streben ein idealer Zug zu Grunde. liegen; dann müsste die Kunst in Ver- 
bindung sein mit den gesunden Elementen im Volksleben, und endlich müssen die Tradi- 
tionen der alten und! wahren Kunst festgehalten werden. Zunächst dürfe dern Künstler 
das Ideal nicht-verloren gehen; das Ideal sei das substantielle Moment der Kunst, der 
Künstler gebe demselben nur die Form, den Ausdruck. In diesem idealen Zuge liege das 
eigentliche vorziehende und bildende Moment der Kunst. Das zweite für die grosse Kunst 
unentbehrliche Moment sei die Verbindung mit den gesunden Elementen des Volkslebens. 
Das Volk soll der Kunst nicht blos geniessend gegenüberstehen, sondern selbst produci- 
rend. So sei es in allen guten Epochen der Kunst gewesen. Damit die Kunst feste Wur- 
zeln habe im Volksleben, sei aber nothwendig, dass die Künstler in reger Verbindung 
stehen mit der Wissenschaftlichen Thätigkeit des Volkes. Ein wichtiges Element in den 
Beziehungen der Kunst zum Volke sei ferner das Macenatenthum. Das Kunsthändlerwesen 
des neunzehnten Jahrhunderts, obschon in seiner Weise ebenfalls förderlich, vermoge das 
Macenatenthum nicht zu ersetzen; das letztere bleibt vielmehr auch für die Gegenwart 
nothwendig zur Ergänzung als Gegengewicht. Frage man nun, was solle geschehen, um 
die gmsse Kunst zu heben, so dürfe man nicht- zu. künstlichen Mitteln greifen; damit 
wurde die Manierirtheitgefördert. Allein man müsse otfenen Auges dort unterstützend ein- 
greifen, wo für die Zwecke des Staates, der Kirche, der Schule, der Gemeinde künstlerische 
Aufgaben zu lösen sind. Glücklicherweise habe die Gegenwart in Oesterreich Aufgaben 
dieser Art in Hülle und Fülle. . 
Am x4. und u. November sprach Herr Professor Dr. Franz Neumann über "die 
Kunst in der Wirthschaftu. Der Vortrag zerfiel in zwei Theile, die Kunst in der Volks- 
wirthschaft und die Kunst in der Privatwirthschaft. 
Wie in so vielen Sphären des staatlichen Lebens Widersprüche vermuthet werden, 
während doch eine höhere Harmonie der Interessen besteht, so hat man schon in den 
ältesten Zeiten die Kunst und Wirthschaft als Gegensätze behandelt und hangt an diesem 
Vorurtheile vielfach noch jetzt. 
Die Kunst erscheint uns heute meistens consumirend, die Wirthschaft producirend; 
die Kunst scheint zu verschlingen, was jahrelanges mühsames Sparen an Gütern erzeugte. 
Indessen sind diese Vorstellungen auf verschiedenen Wegen als irrig zu beweisen. 
Zuerst lenkt die in der ganzen Natur bewiesene Einheit des llrsprunges aller E1:- 
scheinungen darauf, auch für Kunst und Wirthschaft einen gemeinsamen Ausgangspunkt 
zu suchen und dieser findet sich in dem Bedürfnisse des Menschen. Beide richten 
sich auf dessen Befriedigung, diese im materiellen, jene im ethischen Sinne. VUeberdies 
geht die allgemeine Einheit der Kunst und Wissenschaft aus dem- gemeinsamen Qbjecte 
ihrer Richtung hervor: Umformung und Durchgeistigung der ausseren Natur, mit dem 
Unterschiede, dass dieser die Brauchbarkeit, jener erst die Schönheit genügt. , 
Die Geschichte bestätiget diesen monophyletischen Ursprung vollkommen und zwar 
sowohl durch die Gleichartigkeit der Grundtypen von Kunst und Wirthschaft, als dadurch, 
dass der älteste Anfang des Wirthschaftens mit dem ältesten Anfange der_Kunst in den 
blossen Nachahmungen der Natur identisch ist, als endlich dadurch, dass die Bedingungen 
des Entstehens und der Blüthe Beider analog sind. Insbesondere in dieser letzten Bezie- 
hung bietet die Völkergeschichte und Erdkunde in dem von Buckle sogenial durchge- 
führten Sinne und die Kunstgeschichte eine Fülle vnn Belegen dafür, dass die ersten Stat- 
ten des wirthschaftlichen Reichthums auch die Stätten der Cultur und speciell der Kunst 
geworden sind: Indien, Mittel-Asien, Aegypten, Mittel-Amerika. _ 
Wenn nach diesen Beweisen nicht mehr daran gedacht werden kann, dass die 
Wirthschaft der Kunst feindlich entgegenstehe, so lasst sich umgekehrt _auch darthun, 
dass die Kunst in der Wirthschah ein durchaus förderndes Element sei._ Die hohe Kunst 
wird die sichere Führerin für die Richtung der wirthschaftlichen Thatigkeit, sie beein- 
flusst den Geschmack und die ganze schaffende Krah eines Volkes; sie verhütet in Folge 
der Festigkeit des Kunststiles jene gefährlichen immateriellen Consumtionen, welche durch
	        
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