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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1872 / 87)

gerichteten Erscheinung dem gesammten Kunstcharakter des 4. Jahrhunderts. 
Im Laufe des letzteren ward unter den schmückenden Zuthaten der roth- 
figurigen Gefässe auch häufig Gold angewendet. Diese Vasen mit Gold- 
schmuck hat O. Jahn zum Gegenstande einer schönen Abhandlung gemacht, 
auf die ich hier hinweisen will (Bonn 1866). Sie kommt in griechischen 
und italischen Gräbern, aber besonders häufig in den Fundstätten der 
Krim, des alten bosporanischen Königreiches vor, und sind namentlich im 
Saal der bosporanischen Alterthümer im Museum der Petersburger Eremitage 
in besonderer Pracht und in der stattlichen Zahl von 81 Stück vertreten 
(F. Stephani, Die Vasensammlung der kaiserl. Eremitage. 186g, I, p. lll.). 
Das Hinzutreten des Goldes auch zu diesen sonst so schlichten Erzeug- 
nissen des Handwerks ist ein Symptom des vorn 4. _Jahrh. an in Athen 
um sich greifenden Luxusbedürfnisses. Wurde doch damals auch, ganz 
wie z. B. in der Blüthezeit der venetianischen Kunst, der goldige Ton 
des edlen Marmormateriales an Gebilden und Sculpturen durch Aufsetzen 
von vergoldeter-n Ornament noch gesteigert. 
Aber wenn schon die Töpfertechnik dieser Vasen unseren Augen 
wohl thut, so erregt vollends die genauere Betrachtung der Malereien, ihr 
Styl, ihr Verhältniss zu dem Geräthe selbst und ihr geistiger Inhalt unsere 
höchste Bewunderung. 
In den schwarzfigurigen Vasen des alten Styles hat die Zeichnung 
und Behandlung der Malerei noch viel Steifes, Uebertriebenes und in der 
Composition Gedrängtes. Wir erblicken hierin noch die Nachwirkung des 
orientalischen Styls, dessen decorativer Sinn vor Allem auf die Herstellung 
einer dichten bunten Fülle von Ornamenten gerichtet war und sich diese 
Eigenthümlichkeit in seinen wichtigsten Industriezweigen bis auf den heu- 
tigen Tag bewahrt hat. Der alte attische Vasenstyl hat Manches von dieser 
Fülle angenommen, aber er beginnt dieselbe bereits zu ordnen und zu 
lichten. So wie sich die Gefässe gliedern und entwickeln, so klärt sich 
auch dieses decorative Chaos auf, die alte monotone Streifencomposition 
verschwindet; die Malerei wird der Form des Gefässes angepasst, sym- 
metrisch und nach der Structur der einzelnen Gefässtheile stylgerecht 
vertheilt und selbst die scheinbar äusserlichen und zufälligen Pflanzen- 
schemata richten sich in ihrer Bildung und Vertheilung genau nach dem 
Zuge der Linien des Gefässes: am Boden spriesst ein Kranz kelchförmiger 
Blätter empor, die Henkel senden Rankenwindungen über die Fläche des 
Gefässes aus, der Hals wird wie von einem Collier schöner Palmetten 
und Blumenkelche umfasst, die gleichmässig auf- und abwärts gerichtet 
sind. So bei den mustergiltigen Exemplaren des Styles. Eine Abart bil- 
den diejenigen Gefässe, welche die Figuren auf einem besonderen, scharf 
umgrenzten rothen Hintergrunde zeigen, so dass sie wie aufgeklebte Bilder- 
bogen aussehen. Dies hebt den Schmuck zu schroff als solchen hervor 
und stört die Einheitlichkeit des Ganzen. Oft wird die lsolirung der 
Bilder dann sogar durch einrahmende Ornamentborten noch mehr verstärkt.
	        
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