Litteratur - Bericht.
Die Fischer von Erlach. Mit Förderung des k. k. Ministeriums für Cultus
und Unterricht herausgegeben von Albert Ilg. l. Leben und Werke
Johann Bernhard Fischer's von Erlach, des Vaters. Wien, C. Konegen,
1895. 8'. 81g S. fl. to.
Es sind die glanzendsten und ruhmreichsten Jahre österreichischer Geschichte, deren
Erinnerung fast jedes Blatt dieses dem Erzherzog Carl Ludwig gewidmeten Buches her-
aufbeschwort. Die Doppelmiasion, die den österreichischen Erblanden der llabsburger nach
dem Falle Konstantinopels und nach dem dreißigjährigen Kriege zugefallen war - die Er-
haltung einerseits der abendllndisch-christlichen Civilisation gegenüber der asiatischen
Barbarei, anderseits des europäischen Gleichgewichtes gegenüber den Expansivgelüsten der
Franzosen -: sie war glücklich erfüllt, Dank einer ebenso enthaltaamen als zielbewussten
Politik der Herrscher, einer aufopfernden Treue der Volker und unerhörten Siegen genialer
Feldherren. Die politische Geschichte dieser glorreichen Tage vom Ende des 17. und vom
Anfange des 18. Jahrbs. ist, in großen Zügen wenigstens, langst geschrieben, und jedem
patriotisch empündenden Oesterreicher seit seinen Jünglingsjahren bekannt und vertraut.
Dass aber zur selben Zeit auch das Kunstleben in Oesterreich einen höchst denkwür-
digen und bewunderungswerthen Aufschwung genommen hat, ist eine Erkenntniss, die
erst seit verblltnissrnaßig wenigen Jahren zum Durchbruch gelangt ist, und überaus
gering ist die Zahl Derjenigen, denen sich diese Erkenntniss überhaupt schon voll er-
schlossen hat. Gewiss tragt an dieserVersaumniss die seit dem Beginne der ltunsthtstoriachen
Forschungen vorherrschende Verachtung der um jene glorreiche Zeit giltigen Stilweise
- der Barockkunat -- den vornehmsten Antheil. Aber der großen Masse der Gebildeten
wurde auch bisher nur spärliche Gelegenheit zu Theil, das Vorurtheil zu berichtigen,
weil die Kunstforscher selbst einer eingehenderen liebevollen Beschaitigung rnit dieser
Episode der Kunstgeschichte beharrlich aus dem Wege gingen. Erst seit etwa einem
Decenniutn, als man sich gewisser Parallelen zwischen dem modernen Kunstschaifen und
der Kunst des Barockzeitalters bewusst zu werden begann, konnte man ofter einer ob-
jectiveren Würdigung dieser letzteren begegnen, und Hand in Hand damit ging auch
eine steigende Werthschatzung für die Hervurbringungen der österreichischen Barock-
ltunst, wiewohl eine gründliche, umfassende Bearbeitung derselben bis zum heutigen
Tage ausstand.
Diese Aufgabe ist nun mit dem Erscheinen des vorliegenden Buches, dem der
erglnzende zweite Band hoifentlich auf dem Fuße folgen wird. wenigstens in einem ganz
wesentlichen Theile gelost. Dasjenige Kunstgebiet, das zu der in Rede stehenden Zeit die
entscheidendsten und großartigsten Monumentalleistungen aufzuweisen hatte, war die Ar-
chitektur. Sie ist es auch, deren Behandlung der Verfasser besonders im Auge hat, doch
geht daneben fast kein einziger namhaftercr Bildhauer oder Maler, der damals in Oester-
reich thatig war, leer aus. Den Grund zu eirer wahrhaft künstlerischen Behandlung des
Bauwesens haben nach dem dreißigjährigen Kriege in Oesterreich die oberitalienischen
Bau- und Maurermeister gelegt. lhr Wirken gehört eigentlich der italienischen Bau-
geschichte an; aber weil es für unsere nachfolgenden heimischen Barackkilnstler von
Bedeutung gewesen ist, hat auch Ilg dasselbe nicht übersehen und in seiner Darstellung
entsprechend zur Geltung gebracht. Die eigentliche Materie des Buches beginnt aber erst
mit dem Momente, als ein einheimischer, in Oesterreich geborener und erzogener, wenn-
gleich in der Fremde fortgebildeter Meister ersten Ranges auf den Schauplatz trat:
Johann Bernhard Fischer, dem in der Folge das Adelspradicat svon Erlachn verliehen
worden ist.
Die Geschichte dieses Johann Bernhard und seines Sohnes Joseph Emanuel ist es,
die uns der Verfasser in der Vorrede als'die Frucht zwanzigjahriger Forscherarbeit dar-
zureichen ankündigt. ln der That bietet er uns aber weit mehr. Die Geschichte der
vornehmsten zwei Wiener Barockbaumeister erweitert sich ihm unter den Händen zu
einer Geschichte der Wiener Barockbaultunst Oberhaupt. Und selbst darüber hinaus em-
pfangen wir vielfache, höchst dankeoswerthe Aufklarungcn. Neben dem Wiener Barock,
das seine hauptsachlichatcn Wurzeln unmittelbar im römischen Barock hatte, gab es
nämlich in Oesterreich zur gleichen Zeit noch zwei andere Nuancen der Barockbaukunst,
die sozusagen auf dem Lande erblüht waren und mit der überkommenen heimischen
Kunst, der sogenannten deutschen Renaissance und selbst mit der auf dem Lande nie
ganz ausgestorbenen Gothik Fühlung hatten: das niederosterreichische Barock des Pran-
dauer und das bühmisch-suddeutsche der Dienzenhofer. Auch auf die Geschichte dieser
beiden Zweige österreichischerBlrockbaukunst wusste llg gelegentlich aufhellende Seiten-
lichter zu werfen.
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