Vor Allem bedeutet diese Aenderung die völlige Lösung der Me-
daille von der Münzwerkstatt und damit ihre Selbständigkeit, aber auch
größere künstlerische Freiheit. Denn während die mechanische Arbeit des
Prägesternpels lauter gleiche Exemplare fabrikartig in großer Zahl liefert,
bedarf das gegossene Stück der Ciseli rung durch die Hand des Meisters;
jede solche Medaille stellt also eine Individualität dar. Dann ist die Technik
des Stempelschneidens eine mühsame, die wie jedes Handwerk von Grund
auf gelernt sein will; die Anfertigung des in weichem Material herge-
stellten Gussmodells ist dagegen ein Verfahren, das jedem, der in halb-
erhobener Arbeit halbwegs gewandt ist - und das war in der Zeit der
Frührenaissance jeder Maler - leicht von der Hand geht. Ganz so ist
später die Radirung ihrer leichteren Technik wegen, im Gegensatz zum
mühsamen Kupferstich, eine Domäne der Maler geworden. Und wie bei
dieser der weiche Wachsüberzug der Kupferplatte schnell und willig auch
die feinsten Striche der Nadel aufnimmt, wie jeder Fehler sofort ver-
bessert werden kann, ohne die Arbeit zu gefährden (während im Kupfer-
stich wie im Stempelschnitt die größte Behutsamkeit nöthig ist und Ver-
schneidungen mindestens lästige Verzögerungen nach sich ziehen), - so
fügt sich auch das weiche Material des Gussmodells (in Italien zumeist
Thon, auch Wachs, in Deutschland jedoch Kehlheimer Stein und Holz 1')
leicht jeder Laune des Künstlers, der mit völliger Freiheit über seinem
Stoff waltet.
Die gegossene Medaille beherrscht das ganze Quattrocento, welches
mit dem Beginne des i6. Jahrhunderts in Deutschland die eigentliche
goldene Zeit dieser Kunst ist. Eine Aufzählung der Künstler würde blos
ermüden: es hieße doch nur Namen nennen, wenn die Werke nicht zur
Hand sind; und auch diese vermag man nur aus den seltenen Original-
ciselirungen vollständig kennen zu lernen. Dem Pisanello sind eine Reihe
bedeutender Künstler gefolgt, darunter nicht wenige, die wie er Maler von
Ruf waren: Gentile Bellini von Venedig, Caroto von Verona, Foppa aus
Mailand, der Bolognese Francia, der Florentiner Antonio Pollajuolo, viel-
leicht auch Filippino Lippi. Aber der Veronese bleibt doch der eigent-
liche Repräsentant und seine Arbeiten Vorbild für alle Zeiten. In der
herben Frische seiner Porträts, die im echten Medaillenstil alles Wesent-
liche ohne beschwerendes Detail geben, sind ihrn nur wenige nahe ge-
kommen, am meisten vielleicht sein Nachfolger und Landsmann Matteo
de' Pasti, der im Solde Malatesta's von Rimini stand. Unübertrolfen sind
die Reversseiten seiner Werke. Sein Relief ist zugleich malerisch, ohne
in die Fehler des Barocco zu verfallen, und plastisch, ohne durch über-
trieben kräftige Arbeit den Medaillenstil zu gefährden. Compositionen
") Dieser nationale Unterschied ist sehr charakteristisch: In Italien ist die Malerei
mit dem Goldschmiede-Atelier enge verbunden, im Norden mit der Bildschnitzerei. Wie
innig die neue Oeltuulerei des van Eyck mit dieser zusammenhängt, braucht nicht erst
hervorgehoben zu werden.