Ich halte mich verpflichtet, Ihnen hochgeehrter Herr Hofrath
hiefllr Namens der Gemeinde Wien den verbindlichsten Dank aus-
zusprechen.
Empfangen Sie die Versicherung meiner besonderen Hochachtung,
womit ich zeichne
' Euer l-Iochwohlgeboren
ergehener
Prix m. p., Bürgermeister.
Wien, am 23. Januar 1893.
GGSOhBILR 811 118.5 MIISBIIJII. I-lerr Gottfried Tutter (Firma von
Orsbach 8c Tutter, Agentur der Actiengesellschaft für Textilindustrie vor-
mals Dollfus-Mieg Gt Co. Mühlhausen i. E., in Wien Neuthorgasse 13)
hat dem k. k. Oesterr. Museum ein recht werthvolles Geschenk gemacht
mit der Ueberlassung sämmtlicher im Verlage von Ther. v. Dillmont in
Dornach (Elsass) bisher erschienenen Bücher und Vorlagenwerke, die die
Pflege weiblicher Handarbeiten zum Gegenstande haben. Jedes Heft ent-
hält einerseits eine klare und leichtfassliche, von zahlreichen Illustrationen
der einzelnen Handgriffe begleitete Anweisung zur Erlernung einer be-
stimmten Technik (Kreuz-, Netz- u. s. w. Stickerei, Durchbruch, Ma-
crame u. a.), andererseits eine Reihe mustergiltiger Vorlagen derselben
Technik. Frau Therese v. Dillmont ist auch zugleich die Verfasserin der
überwiegenden Mehrheit dieser Publicationen, deren Inhalt überdies in
ihrer "Encyclopedie des ouvrages de damesu zusammengefasst erscheint.
Mit der Actiengesellschaft für Textilindustrie vormals Dollfus-Mieg 8! C0.
stehen dieselben insofern in Verbindung, als bei der Wahl der Vorlagen
und auch bei der technischen Unterweisung vornehmlich die von der ge-
nannten Firma erzeugten Stickereigarne Berücksichtigung gefunden haben.
Besuch des Insenms. Die Sammlungen des Museums wurden im Monat
Januar von 590i, die Bibliothek von 1547, die Vorlesungen von 425 Personen
besucht.
Vorlesungen. Am 5. Januar d. J. besprach Ministerialrath Prof. Dr. Emanuel
Herrmann den wirthscbaftlichen Einduss der Frauen auf das Kunstgewerbe. Er wies in
Beispielen aus der Geschichte nach, dass die Frauen seit jeher für die Prnducte des
Kunstgewerbes, insbesondere den Schmuck, ein Interesse darlegten, das sich, wie im
Aufruhr zu Rom 191 v. Chr. bis zu öffentlichen Demonstrationen für den Gebrauch von
Gold und Purpur steigerte. In verschiedenen Gebieten der ltunstgewerblichen Production
scheinen die Frauen die ersten Urheberinnen der Techniken, der Formen und des Orna-
ments gewesen zu sein. So wie alle technisch exactere und gewerblich betriebene Arbeit
ging auch die kunstgewerbliche bis auf die Nothanlter der Armuth: Spitzenltldppeln,
Sticken etc. in Bergwerksgegenden fast ganz auf das männliche Geschlecht über. So
mussten sich die Frauen der höheren Culturstufen und Classen auf die ltunstgewerbliche
Consumticn beschränken, hinsichtlich welcher manche hervorragende politisch und ge-_
sellschaftlich einflussreiche Frauen sogar auf die Gestaltung des Stiles einwirkten. In der
Consumtion werden jedoch die Frauen von der Mode mehr als vom Stile angezogen und
treten sogar vielfach in Gegensatz zu den wirthschaftlichen Interessen des Kunstgewerhes.
Eine wesentlich neue Richtung brachten die kunstgewerbliehen Fachunterrichtsanstalten,
indem sie sowohl die Productionsfahigkeit der Frauen auf dem Felde des Kunstgewerbes
haben. als auch den Geschmack bei Verwendung und Erwerbung kunstgewerblicher
Erzeugnisse ausbildeten, so dass nun besonders angesichts der weltberühmten glanzenden
Wirksamkeit der Stickerei- und Spitzenschulen, Fachcurse für Emailtechnik u. s. w. in
Oesterreieh alle Aussicht gegeben ist, die Frauen wieder als begeisterte Fßrderinnen des
Kunstgewerbes auch in wirthschaftltcher Hinsicht zu gewinnen.
- Am 12.. Januar hielt Custos Eduard Chmelarz einen Vortrag über ndie
niederländischen Maler Georg und Jacob Hoefnagel in kaiserlichen Dienstenl. Naturgemaß
galt der größere Theil des Vortrages dem bedentenderen von beiden, dem Vater Georg,
welcher 1542. in Antwerpen geboren war. Nach den einleitenden biographischen Angaben
wurde des Künstlers Entwickelungsgang vom Dllettantismus durch Nnturstudium zur voll-