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BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER ÖSTER-
REICHISCHEN BAROCKARCHITEKTUR 50
VON HANS TIETZE-WIEN S0-
I. DAS FÜRSTLICH LIECHTENSTEINSCHE GARTENGEBÄUDE IN
WIEN.
IE Erforschung unserer heimischen Barockarchitektur
hat trotz mancher schönen Ergebnisse von Einzel-
untersuchungen in den letzten Jahren keine ent-
scheidenden Fortschritte gemacht; nach wie vor
bleiben gerade die Hauptpersönlichkeiten in einem
I-Ialbdunkel, das gelegentliche Lichter mehr ver-
wirren als aufhellen. Fischer von Erlach ist trotz
des dickleibigen Buches, in dem Albert Ilg seine
eigentümliche Andacht zum Nebensächlichen sich
schrankenlos ergehen ließ, ein nahezu unbekannter
Künstler; kaum ein Werk, dessen Baugeschichte
erschöpfend geklärt wäre, keine Phase im Werden, Blühen und Reifen seines
Stils, die wirklich gesichert heißen könnte. Nicht anders steht es mit Hilde-
brandt, der stilistisch Fischers Antipode, menschlich 'sein grimmiger Gegner
warf und der mit ihm zusammen den Charakter der Architekturblüte jenes
Zeitraums bestimmt; auch bei ihm sind die Fundamente unserer Kenntnisse
völlig unsicher. Jeder voreilende Versuch, schon heute ein zusammenhän-
gendes Bild unseres Barock zu zeichnen, scheitert an dieser ungenügenden
Grundlegung; ehe er Aussicht auf Erfolg verspricht, heißt es in geduldiger
Kleinarbeit das Material bereitstellen. Einen jüngeren Fachgenossen habe
ich zu ausgiebiger Beschäftigung mit Hildebrandt angeregt, der ein reicher
Ertrag nicht fehlen kann; mich selbst hat mein Weg wiederholt zu Fischer
von Erlach geführt. Ihm seien die ersten dieser Beiträge gewidmet, die der
Erforschung der stolzesten Zeit unserer heimischen Baukunst dienen wollen.
Der Hauptgrund unserer Unsicherheit liegt in der Mangelhaftigkeit der
Überlieferung. Fast immer versagen die historischen und archivalischen
Quellen, auch nur die äußere Geschichte eines Bauwerkes festzustellen. Aber
auch wo dies nicht der Fall ist, wo ein Bau mit einem gutbeglaubigten Künstler-
namen fest verknüpft erscheint, bleibt zumeist zweifelhaft, wie weit der
persönliche Anteil des Meisters an dem betreffenden Werke geht, wie weit
der Wunsch des Bauherrn, der Einfluß konkurrierender Künstler, der Eigen-
" Auch die Frage des persönlichen Verhältnisses der beiden Meister ist vielfach von aneltdotiscben Zilgen
umrankt und verzerrt; im ganzen dürfte die Tradition recht haben, die dieses Verhältnis als das denkbar
schlechteste überliefert. In einem Brief vom 19. juni 170g schreibt Friedrich Koch, das treue Faktoturn, das die
Harrachschen Bauunternehmungen leitete: „ . . . . habe auch mit Jan Luca wie auch stuckatormeister von wegen
der nacher Saltzburg reiß geredt, sie bede seind darrnit zufrieden geweßen, weillen ich aber wohl gewußt. daß
der Herr mische: zu Saltzburg sich anjetzto einFlndet und dieße zwei khein guet beisammen tetten, also glaubte
ich besser gethan zu haben. gedachten jenn Luca alhier zu lassen biß auf weiteren Gnidigen von Eurer Exzellenz
Befehl." (Fürstlich Harrachnches Hausarchiv in Wien.)