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eine Neigung zur Gotik und zur Renaissance, woraus sich allmählich zwei
Richtungen entwickelten: die Romantik und der Eklektizismus. Die große
Baubetriebsamkeit, welche seit der Mitte dieses Jahrhunderts auf dem Ge-
biete des katholischen Kirchenbaues zur Äußerung gekommen war, bekam
dann teilweise auch Einfluß auf die „profane" Baukunst. Anfangs streng
konventionell, entstand im Kirchenbau mit Dr. Cuypers (dem Erbauer des
Amsterdamer Reichsmuseums und vieler Kirchen) eine freiere Auffassung.
Als Schüler und Bewunderer von Viollet-le-Duc studierte er gründlich die
mittelalterliche Bauklmst, deren logische und konstruktive Grundsätze ihn
zur allmählichen Befreiung vom Klassizismus führten, wodurch er bedeutend
Abb. 8. Erste: Projekt für die Amsterdamer Börse, 1897
mitgearbeitet hat zur Klärung der Begriffe bezüglich einer rationellen Bau-
kunst. Nach 1870 kam dann eine Epoche, worin zunächst gotische Motive,
nach und nach auch Motive der nationalen Renaissance auftraten, indem
auch ausländische Vorbilder (die durch die Kunstzeitschriften verbreitet
wurden) nachgeahmt und umgearbeitet wurden, woraus dann obengenannte
Verwirrung entstand. Es ist das große Verdienst Berlages, in dieser Zeit
die Richtungslinie gezeigt zu haben zu einer Baukunst, welche nicht mehr
eine Zusammenstellung alter oder neuer Stilformen, sondern eine ästhetische
Gestaltungsform von sozialen Notwendigkeiten seiner Zeit war.
Nicht auf einmal ist Berlage zur organischen Auffassung der Architektur
gekommen, wie diese aus seinen späteren Werken spricht. Seine Entwick-
lung stimmt im allgemeinen überein mit der Entwicklung Otto Wagners und
könnte charakterisiert werden mit den Worten Lux' in seiner Biographie
Wagners, wo er spricht von einer Entwicklung „von der Architektur zur
Baukunst".
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