diese Verzierung heimisch, neben den Werkstätten der Metallarbeiter in
jenen der Buchbinder, der Marmorarbeiter, der Formschneider und in
vielen Anderen. Sehr bald begritT man auch, welch" reizvolle Wirkung
diese Flacharabeske in Verbindung mit anderen Ornamenten plastischer
Art hervor-zubringen im Stande sei. Es entstanden jene Prachtgefäße, jene
Meisterwerke der Goldschmiedekunst, die an sich ein vollständiges Poly-
technikon der damals in Uebung gewesenen Behandlungsarten der Metalle
darstellten. Mit der Treib- und Ciselirkunst, mit der Form- und Gieß-
kunst, mit den Juwelierarbeiten und Emaillirungen verband sich die luftige
Arabeske des Orients in feinem Gravir-, Aetz- oder Niellowerk und half
so wesentlich mit, den gelungenen künstlerischen Eindruck des Ganzen
zu vervollständigen und zu erhöhen
Und gerade jene Meister, die die neue Kunstrichtung der Renaissance
am meisten und umfassendsten cultivirten, mit Holbein an der Spitze, be-
günstigten auch in besonderem Grade diesevLineararabeske und gewannen
dem an sich so einfachen Linienzug immer neue Gestaltungen, neue Schön-
heiten ab. Wie herrlich ist beispielsweise der berühmte Jamnitzefsche
Tafelaufsatz mit diesen Arabesken verziert, andere Beispiele dieser Art
von diesem Meister hat uns Virgil Solis erhalten.
Neben der Lineararabeske tritt in Deutschland noch eine andere Form
der Arabeskenverzierung auf, die einzig in ihrer Art dasteht und "die
ihre Motive aus der glänzend betriebenen Schl0sser- und Schmiedekunst
herleitet und auf's Genaueste den Stil von Metallbeschlägen nachahmtnt
Die Schilderung dieser Arabeske und ihre Würdigung ist in Lübke's Ge-
schichte der deutschen Renaissance so trefflich gegeben, dass ich dieselbe
nur wiederholen kann. "Sogar die Nieten und Nägel mit ihren facettirten
Köpfen, welche bei Metallbeschlägen die einzelnen Theile verbinden,
werden mit ängstlicher Treue in Stein oder Holz wiedergegeben. Diese
Ornamentik ist die Stärke und die Schwäche der deutschen Renaissance.
Es spricht sich einerseits in ihr eine Fülle von Phantasie, Originalität,
eine gewisse Kraft und kecke Derbheit aus. Aber sie zeigt auch, wie tief
der Hang zu geometrischen Formspielen und Künsteleien im deutschen
Geiste steckt, und wie dieser Trieb im Laufe der geschichtlichen Ent-
wickelung immer von Neuem durchdringt. Derselbe Zug hatte in der
gotbischen Zeit zuletzt Alles in Maßwerkspiele aufgelöst; derselbe Sinn
bringt jetzt in der Renaissance unter veränderten Formen und Verhält-
nissen Analoges hervor. Damals war es die Tyrannei des Steinrnetzen, der
sich Alles unterwarf; jetzt ist es die Herrschaft des Metallstiles, speciell
der Schmiede- und Schlosserarbeit, die in den Steinstil hinüber wirkt.
Stets aber bleibt es ein mehr handwerkliches als künstlerisches Princip,
das darin zur Erscheinung kommt, ein Beweis, dass der höchste künst-
lerische Adel bei uns durch eine gewisse Derbheit des Sinnes oder sagen
wir lieber durch spießbürgerliche Pedanterie verkümmert wird. Dies ein-
mal zugegeben - und man darf sich dergleichen nicht verhehlen - wird
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