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gewiss sei und dass ungleich größere Vortheile, als sie durch die künst-
liche Schaffung eines Marktes zu erzielen waren, durch eine natürliche
Ausdehnung desselben mittelst der Beseitigung aller Verkehrsschranken
gewonnen werden konnte. Diese Gedanken traten im Physiokratismus des
x8. Jahrhunderts zum erstenmal in einigem Zusammenhange auf, in der
Zeit einer allgemeinen tiefgehenden Bewegung der Geister, welche gegen
die herrschende Politik, gegen den Druck des Feudalsystems und der
polizeilichen Bevormundung gerichtet war, und sich in den Idealen
eines natürlichen Zustandes der menschlichen Gesellschaft bewegte.
Dieser Auffassung war der Mercantilismus verhasst, weil er zu Gunsten
der Staatsgewalt und der herrschenden Classen besonders die Bodenpro-
duction aussog; und er galt für unhaltbar, weil er nur auf Uebervor-
theilung anderer Völker abzielte, während doch nur jene Quellen des
Reichthums sicher sein können, die ein Volk selbst besitzt. Indem nun
die Physiokratie ihrerseits sich der Untersuchung dieser Quellen zuwendete,
glaubte sie zu finden, dass Arbeit und Capital immer nur so viel ertragen,
als sie brauchen, dass aber Ueberschüsse nur Ivon der Bewirthschaftung
des Bodens zu gewinnen sind. Und darin kann doch allein ein Zuwachs
zum Reichthum gefunden werden. S0 hat der Physiokratismus wieder
die innere Wirthschaft des Volkes als Quelle seines Reichthums in's
Licht gestellt, welche der Mercantilismus vernachlässigt hatte. Aber eine
einfache Negation des Mercantilismus ist er keineswegs, vielmehr lässt
sich eine Gemeinsamkeit des Grundgedankens auffinden, wenn derselbe
auch in den nationalökonomischen Vorstellungen jener Zeit noch keines-
wegs klar ist. In ihrem Suchen nach den für den Nationalreichthum
vortheilhaftesten Productionszweigen sind beide von dem Gedanken geleitet,
den wir heute das Gesetz der Staaten nennen, dass die Gewinne in
einem Productionszweige um so größere seien, je größer sein Productions-
und Absatzvortheil. Nun verstand das Jedes in seiner Weise und zu
einer Einfügung dieses Gedankens in ihr nationalökonomisches System
brachte es weder das Eine noch das Andere. Vielleicht erklärt sich auch
gerade durch eine solche Gemeinsamkeit einer nationalökonomischen
Grundvorstellung die Erscheinung, dass Mercantilismus und Physiokratie
neben einander bis auf den heutigen Tag sich lebendig erhalten haben;
sie sind denn eben beide nicht einfach als Irrthürner zu bezeichnen,
sondern nur als einseitige Entwicklung einer im Wesentlichen richtigen
Grundanschauung. Und dieses Urtheil findet eine gewisse Bestätigung in
der folgenden Entwicklung der Nationalökonomie durch Adam _Smith.
Er fasste die vorhandenen Elemente volkswirthschaftlicher Einsicht zu-
sammen und führte sie auf ein höheres allgemeines Princip zurück, auf
die Productivität der Arbeit überhaupt, mochte sie sich in Industrie und
Handel, oder in der Landwirthschaft, im innern oder im auswärtigen
Verkehr bethätigen. Um das Volk aber durch Arbeit zu bereichern, muss
die Selbstverantwortlichkeit für den wirthschaftlichen Erfolg und eine