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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 1)

anlasst hat. Noch heute gilt diese Anschauung bei den Calvinisten, wäh- 
rend die Lutheraner vielfach die ihnen überlieferten Kunstwerke in ihren 
Kirchen pietätvoll bewahrt haben, wenn sie auch keineswegs eine bedeu- 
tungsvolle Ausschmückung der Kirche - sie gehört bei ihnen zu den 
Ausnahmen - mit besonders freundlichen und günstigen Augen betrachten. 
Und doch, scheint mir, sollte gerade der Protestantismus einen vor- 
züglichen Werth auf den künstlerischen Schmuck der Kirche legen, viel 
mehr, als sich demselben unfreundlich entgegenstellen. Nicht bloß, dass 
es den Protestanten als Menschen der Gegenwart gerade so geziemt, der 
Kunst eine öffentliche Stätte zu bereiten, und welche wäre würdiger 
und bedeutender als die Kirche, die ja doch immer uncl überall als das 
vorragendste Gebäude des Ortes oder des Stadtbezirkes erscheint? ln 
der protestantischen Kirche versammelt sich die ganze Gemeinde zu 
gemeinsamer Andacht, zu gemeinsamer Feier; sie kommt am Festtage 
in festlicher Kleidung, in geweihter Stimmung: und sollte da nicht die 
Stätte, wo sie sich festlich versammelt, auch festlich geschmückt sein? 
sollte die Umgebung nicht der Würde der Versammlung, der Weihe des 
Augenblickes und der Bedeutung der Feier entsprechen? und wie kann 
das anders geschehen, als durch die Mitwirkung der Kunst? ist die kahle 
Nüchternheit, die Leere und Oede der reformirten Kirche wohl dem 
Momente angemessener, als ein ernster, würdevoller Schmuck, der die 
Gedanken nicht ablenkt, die Seele in ihrer Erbauung nicht stört, son- 
dern gleicherweise die Empfindungen der Erhebung zulenkt? Freilich ist 
die Decoration der Kirche oftmals über ihr Ziel hinausgegangen und hat 
weltlichen Glanz und überladene eitle Pracht in die ernsten heiligen 
Hallen eingeführt, aber Missbrauch und Uebertreibung heben ia den 
guten Brauch, die gute Sitte nicht auf. 
Es ist daher kein Grund vorhanden, warum die protestantische 
Kirche nicht gleicherweise sich schmücken sollte, wie es immerdar die 
katholische Kirche gethan hat, zumal ja doch, von jeder Confession 
abgesehen, die Kirche als Bau immer als Kunstwerk betrachtet worden. 
Niemand nimmt Anstoß daran, wenn eine neue Kirche von der Stadt 
oder dem Staate oder wer sonst der Bauherr ist, so prächtig, so schön 
in ihrer Architektur wie nur möglich erbaut wird; Stadt und Gemeinde 
sind stolz darauf, wenn der Bau gelungen ist, sie sind stolz darauf, wenn 
die Vorfahren ihnen in ihrer Kirche einen monumentalen Bau hinter- 
lassen haben. Und was so überall bei allen Confessionen des Christen- 
thums für das Aeußere gilt, sollte das für das Innere keine Anwendung 
finden? Sollte das Innere, das doch nur die andere, ebenso berechtigte 
Seite des Kunstwerkes ist, sollte sie des Schmuckes entbehren müssen, 
welcher der äußeren Seite widerspruchslos zu Theil wird? Sollte das 
Innere mit kalkweißer Tünche oder steingrauen Wänden sich begnügen 
müssen, während das Aeußere an Portalen, Fenstern, Gesimaen, Thürmen 
u. s. w. reichlichen Schmuck in gediegener plastischer Arbeit enthält} Ich
	        
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