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Diese Steinzeit, die wir als zweite grosse Epoche der menschlichen
Ansiedlungen betrachten wollen, zeichnet sich ausser dem Besitz dieser
Naturproducte in der Industrie wesentlich dadurch aus, dass sie ausser
dem Feuerstein und dem Serpentin in allen seinen Uebergangsforrnen,
ferner den Sandstein, Hornblende und eine grosse Anzahl anderer Ge-
steine durch Zuschleifen als Waffen nutzbar zu machen weiss. Sie wird
deshalb auch die Zeit des polirten Steines genannt. In Dänemark und
Schweden werden die Feuerstein-Waffen in dieser Zeit ganz meisterhaft
und wirklich künstlerisch zubehauen, zum Theil auch geschliHen.
Die Topfwaaren zeigen Lschon einen grossen Reichthum an Formen
und vielfältige Verzierungen. Nachdem diese Zeit uns durch die Pfahl-
bauten in ihrer Totalität ziemlich anschaulich vorliegt, so können wir
auch hier ein genaueres Bild der ganzen Lebensweise und der Cultur-
stufe, auf der jene Völkerschaften standen, uns entwerfen, der Ausbrei-
tungsbezirk der Steinzeit umfasst nun fast ganz Europa mit Ausschluss
von Preussen, wo eine entwickelte Steinzeit nicht gefunden wurde, wenn
auch Pfahlbauten nicht selten sind. Es gehen aber diese Pfahlbauten,
die eigenthümliche Art der Ansiedlung längs den seichten Ufern der
Seen, oder vielleicht auch längs den Flüssen, bis in die historische Zeit
herauf und Venedig selbst verdankt seinen ersten Ursprung wahrschein-
lich der fortgeerbten Erinnerung an diese Bauweise. Die ältesten Pfahl-
bauten scheinen jene der östlichen Schweiz, Oesterreichs und Mecklen-
burgs zu sein, die aber doch später als die Kyöggen-Möddings Dänemarks
zu setzen sind. Dann kommen die Terramare Italiens, Krannoga in
Irland, in denen, sowie in den Pfahlbauten der westlichen Schweiz, die
Bronze vorkommt. Die Pfahlbauten Preussens und des Neuenburger-
See's führen bereits Eisenwaffen; Ch. Chantre fand in dem südlichen
Frankreich endlich einen Pfahlbau, der bis in die karolingische Zeit her-
aufreicht. Sie wissen, dass auch Dumont d'Ourville Pfahlbauten in
den Südseeländern gefunden hat, sie also auch in tropischen Ländern
vorkommen. In Robenhausen und Wauvyl fanden sich einige Fundamente
und Böden so erhalten, dass wir über die Construction im Allgemeinen
nicht unklar sind. Die Eichen oder Fichten wurden rund um den
Stamm mit kleinen Beilen eingehauen, sodann angebrannt, bis sie nieder-
gerissen und in derselben Weise abgeästet werden konnten. Diese dienten
als Piloten und wurden dicht nebeneinanderstehend in den Seegrund
gesenkt. Oben darauf kamen Querhölzer, die den Boden bildeten und
auf denen die Hütten aber selbst in runder und viereckiger Form auf-
gebaut wurden. Die Hlitten bestanden aus nur wenige Zoll dicken
Stangen, die durch Flechtwerk verbunden waren, welches wieder mit
Lehm von Innen und Aussen verschmiert war. Das Dach müssen wir
uns von Schilf bedeckt vorstellen. In der Mitte der Hüttebefand sich
der Herd. Ausser dem Fischfang und der Jagd wurde offenbar auch
Ackerbau und Viehzucht betrieben, wobei wir uns das Vieh heerdenweise