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gestrichen. In diesen Tagen starb ein verdienter Historiker Contc Sagredo,
der auch mehrere Gebiete der venetianischen Kunstgeschichte bearbeitet
hat. Marchese Pietro Selvatico ist hoch an Jahren und kränklich, und
Abhate Valentinelli, der liebenswürdige Bibliotheksvorstand derM-arciana,
nicht jünger an Jahren als Selvatico, wendet begreitlicher Weise seine
Thäitigkeit anderen Fächern zu. Conte Orti-Mannara in Verona zählt
gleichfalls bereits seit einem Jahrzehnte unter die Verstorbenen, und dur
tüchtige Forscher für mittelalterliche Geschichte in Vieenzn, Abbate
Magrini, schweigt seit Jahren. Das einzig Erfreuliche, was publicirt wurde,
ist eine kleine Abhandlung über Wasserzeichen von Urbani, Viccdirector
des Museo Correr. Abhate Mugna, der gewandte Uebersetzer von Kug-
ler's Kunstgeschichte, bereitet eine italienische Uebersetzung von Caval-
easelle's und Crowe's Geschichte der italienischen Malerei vor - sonst
ist die Kunstliteratur im venezianischen, einst so reich an tretflichen Lei-
stungen, völlig ersturben. Und ist es nicht für den Stand der italieni-
schen Gelehrten-Literatur bezeichnend, dass die hervorragendste Geschichte
der italienischen Malerei, die überhaupt in den letzten fünfzig Jahren
geschrieben wurde- wir meinen die Cavalcasellds- zuerst in englischer
Sprache erscheinen musste, und früher eine deutsche Uebersetzung unter-
nommen wurde, bevor man daran denken konnte, eine Uebersetzung in
italienischer Sprache erscheinen zu lassen.
Venedig, 30. März 187i. R. v. E.
Die Industrie des Grödner Thales in Tirol.
Die nachmnls so schwnnghnh betriebene Industrie des Grödncr Thnles hat keine
grosse Geschichte, ihre früheren Spuren reichen nicht etwa in die erste Zeit des Völkr-hens
zurück, sie ist demselben keineswegs ureigenthümlich, auch keine Tradition noch älterer
Geschlechter, wie z. B. im unteren Italien die Hausindustrie der Töpferei später einge-
wnnderte nordische, griechische und snrazenischc Volksstlimrne von den Resten der alten
Bevölkerung übernommen und weitergetrieben haben. Wie dort spendet zwnr nuch in
unserem Alpentlmle Mutter Natur dns Material, die erste Bedingung der gewerblichen und
handwerklichen, sowie der künstlerischen Thitigkeit, aber es wuchs ungezählte Jahrhun-
derte die Zirbelnnsslriefer auf jenen Thnlbergen, ohne zu andern Zwecken, denn als Bnn-
und Brennholz dem Menschen zu dienen. Was eher den Keim zur späteren Hauptbeschäf-
tigung der Thalbewohner gelegt hat, das wer auch hier die Quelle aller menschlichen
Thätigkeit, Cnltnr und Kunst - das Bediirfniss, die Noth. Dieses zu beleuchten, möge
eine üüchtige Notiz über das eigenthiimliche Völklein, seine frühere Lage und Lebens-
weise vergönnt sein.
Wir haben uns nn dieser Stelle nicht mit der vielventilirtan Frage nach dem Ur-
sprung der Grödner zu beschäftigen, jenem oft untersuchten Streitplfnkte, über dessen
Details der Leser die Arbeiten Niebuhr's und Ottfr. Miiller's, namentlich aber Steulfs
und Bergmnnn's Forschungen zur Hand nehmen möge. Wie sehr getheilt die Ansichten
lauten mögen, soviel steht fest, dass die rhlttische oder römische oder lateinische Bevöl-
kerung, - wie man nun die Reste der vorgermnnischen nennen möge, als das schwächere,
znriickgedrängte Element nnch den Berghöhen, Hachthllern und nhgelegeneren Verlstnn-
gen des unendlichen Thilerlshyrinthes flüchtete, sobald die Riesenwogen des siegenden
Gerrnanenthnms den Heuptdiisscn entgegen überschwemmend in das Herz der Alpen sin-
gedrungen waren. Deshalb haften an Hochalpen, Bergspitzen und weit oben gelegenen
einsamen Andsiedelungen Namen eines fremdartigen, von jenen im Thalschoosse verschiedenen