Das deutsche jlusterschutzgssetz vom II. Januar I876 t).
Ein deutsches Musterschutzgesetz würde noch in weiter Ferne ge-
blieben sein, wenn nicht zwei Momente hinzugetreten wären, welche auf
die Nothwendigkeit eines solchen hingedrungen hätten; nämlich die Wiener
Weltausstellung und der Erwerb von Elsass-Lothringen.
Auf der Wiener Weltausstellung zeigte sich, dass die deutscheKunst-
industrie bedeutend zurückstand gegen die anderen Länder, welche den
gesetzlichen Musterschutz besitzen und es wurde allseitig betont, dass das
Zurückbleiben der deutschen Kunstindustrie mit dem Mangel eines gesetz-
lichen Schutzes für die Erzeugnisse der lndustrie im engsten Zusammen-
hange stehe. Noch viel einflussreicher war aber die Erwerbung Elsass-
Lothringens durch Deutschland.
Die französischen Fabrikanten hatten unter der französischen Herr-
schaft den Musterschutz genossen und dessen Wohlthaten kennen gelernt.
Diesen Schutz fanden sie in Deutschland nicht vor und ihre Waaren,
deren Absatzgebiet fortan vorzugsweise Deutschland sein sollte, waren
daher der Nachbildung preisgegeben. Es ist erklärlich, dass in Folge dessen
die Elsässer Fabrikanten eifrig bemüht waren, auch in Deutschland den
Musterschutz einzuführen und dass namentlich die Mühlhauser Handels-
kammer vom Jahre 187i ab unablässig um den Erlass eines solchen Ge-
setzes petitionirte.
Da die Angelegenheiten noch nicht hinlänglich reif waren, um dem
Reichstage ein Gesetz vorzulegen, so wurde vorerst auf Kosten des
Reiches eine Enquete von Sachverständigen veranstaltet, um dieselbe mit
ihren Auffassungen und Wünschen zu hören. Am 7. Eebruar beschloss
der Bundesrath diese Enquete zu veranstalten u. z. speciell über die
Fragen:
A. ob und in wie weit die Werke der bildenden Kunst gegen un-
befugte Nachbildung in Erzeugnissen der Industrie, der Fabriken, Hand-
werke und Manufacturen zu schützen seien;
B. ob den Erzeugnissen der Kunstindustrie ein Schutz gegen unbe-
fugte Nachbildung gewährt werden solle und
C. ob sich die Einführung eines allgemeinen Musterschutzes empfehle.
Die Wahl der Sachverständigen wurde dem Reichskanzleramte überlassen,
und esiwurden von dem Reichskanzleramte 33 Sachverständige zur En-
quete nach Berlin berufen , u. zw. 9 Sachverständige aus dem Kreise
der Kunst, darunter 4 Maler, z Bildhauer, 3 Architekten, ferner 8 aus
den Kreisen der Metallwaarenindustrie, 3 aus den Kreisen der Thon- und
Glaswaarenindustrie, 7 aus denjenigen der Gewerbeindustrie, 4 aus ein-
zelnen anderen lndustriezweigen und endlich als Vertreter des Muster-
zeichnens die Vorsteher von zwei Zeichen- und Modellirschulen.
') Die nachfolgenden Zeilen sind grösstcndleils entnommen der Brochure des Prof.
Dr. Dambach: -Das Musterschutzgesetz vom u. Januar 1876 erläutern, Berlin 1876.