Die Vloihnachts-Ausstallung im Uosterr. Museum. 1
Von Jacob Falke.
II.
Die österreichische Glasindustrie befindet sich seit einigen Jahren
schon auf so gutem Wege, dass man ihr nicht gezürnt hätte, wenn sie
es unterlassen, auf Neues und Ueberraschendes zu sinnen. Wir wären
zufrieden gewesen, wenn sie sich auf dem eingeschlagenen Wege gekräf-
tigt und befestigt hätte, wenn alle Fabriken, auch die noch irrenden, der
so bestimmt durch die moderne Art des Krystallglases vorgezeichneten
Linie gefolgt wären. Während letzteres noch keineswegs so, wie man
wünschen möchte, der Fall ist, sind wir andererseits durch eine wahrhaft
neue und glänzende Erscheinung - wir wollen nicht sagen überrascht,
denn wir haben sie entstehen sehen- aber doch in unseren Erwartungen
übertroffen.
Wie früher, so sind uns auch diesmal in der reichen Collection der
Glasarbeiten Schreiber, Rankl, Ullrich willkommene und gewohnte Er-
scheinungen. Wir begrlissen sie als alte Bekannte, die auf ihrem Wege
fortschreiten, ohne den Charakter zu ändern. Vielleicht zeigt sich unter
ihnen die Fabrik von Schreiber 8c Neffen am meisten und gelungensten
als Neuerer, während andererseits Ullrich wieder am meisten sucht und
schwankt. Zu ihnen hat sich eine vierte Fabrik gesellt, die des Grafen
Harrach zu Neuwelt in Böhmen, die zum ersten Male ihre Leistungen
den Besuchern des Museums vor Augen stellt. Man merkt es ihr an, dass
es das erste Mal ist, denn der Boden, auf dem sie erscheint, die Princi-
pien, die hier allmälig zu einer gewissen herrschenden Ueberzeugung ge-
worden, sind denjenigen, welche die Auswahl getroffen haben, noch un-
bekannt. Die Collection, welche wir sehen, ist durchaus bunt, gemischt
und von äusserst ungleichem Werthe: Gutes und gänzlich Verwerfliches
steht neben einander. Wie kann man heute noch dreieckige und viereckige
Blumenvasen schaifen (bindet man auch die Bouquets im Dreieck?) und
wenn man sie schafft, wie kann man sie auf eine Ausstellung bringen
wollen? Entstanden aus der Sucht, Neues zu schaden, gehören sie dem
verwerflichsten und nunmehr gänzlich veralteten Geschmacke an. Alles
schöne Roth auf ihren Wangen, alle feine Malerei in weissem Email
können den Grundfehler nicht besser machen. Einiges Geräth in Krystall-
glas - auch hier das Beste - ist gut, desgleichen Kanne oder Flasche
aus grünlichem Glase von sehr gelungener Farbe; alles Andere bietet
mehr oder weniger zum Tadel Anlass, sowohl in Bezug auf die Form
wie in Bezug auf die Verzierung. Offenbar herrscht an leitender Stelle
Unklarheit über das, was schön und was nicht schön ist, über das, was
die Zeit heute künstlerisch findet und was sie verwirft. Der kritische Ge-
schmack ist heute so vorgeschritten, dass er auf grossen Ausstellungen
kaum noch in die Irre geht. Es wäre daher gut. bei Zeiten Sorge zu