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Liebe und Lust erweckt wird, im Handwerke zu bleiben; es muss der
Ehrgeiz geweckt werden, einst durch eine gute Arbeit den Stand zu ehren,
dem sie angehören werden. Die Baugewerkschulen haben keine Architekten
und Baumeister, die Fortbildungsschulen keine Künstler und Zeichner für
Kunstgewerbe zu erziehen. Nichts würde unzweckmässiger, ich möchte
sagen, gewissenloser sein, als in diesen Kreisen künstlerische Aspirationen
wachzurufen und diese Anstalten zu technischen und künstlerischen oder
kunstgewerblichen Fachschulen hinaufzuschrauben. Zeigen sich an solchen
Anstalten Talente, welche stark genug für das Künstlerthum sind, dann
muss man einen solchen Zögling an die Anstalten weisen, welche berufen
sind, auf dem Gebiete der Architektur oder des Kunstgewerbes Künstler
zu bilden. Es ist die Zahl derer, welche Architekten, Zeichner u. s. f.
sind, heutigen Tages ohnedies gross genug und der Zudrang zu solchen
Anstalten weit über das Bedürfniss hinausgewachsen, als dass es nöthig
wäre, durch eine unverständige Art die gewerblichen Forlbildungsschulen
und Baugewerbeschulen hinaufzuschrauben, das geistige Proletariat auf
dem Gebiete der Kunst und des Kunsthandwerkes noch zu vermehren.
Um aber den Lehrbedürfnissen dieser Schulen genügend zu ent-
sprechen, fehlen allerdings (und zwar nicht blos in Oesterreich) ele mentare
Vorlagenwerke. Wir haben, Dank den Bemühungen des Herrn Unter-
richtsministers, bereits einige Elementarwerke (von Grandauer, Riewel-
Schmid, Andel), deren wohlthätiger Einfluss überall bemerkbar ist; auch
in Stuttgart sind einige gute Werke erschienen (vor Allem von Herdtle
u. s. w.), aber die Zahl der guten Vorlagenwerke ist bei weitem nicht
dem wirklichen Bedürfnisse entsprechend. Für Tischlerei, Schlosserei,
Blumenzeichnen, für die Elemente der Ornamentik, für weibliche Arbeits-
schulen u. s. f. fehlen meth odisch geordnete Elementarwerke fast voll-
ständig'). Bei dem Mangel solcher Vorlagen sehen sich die Lehranstalten
leicht genöthigt, auf Werke zu greifen, welche über die Sphäre der Schulen
hinausgehen. Es ist nur zu wundern, dass unsere Verleger sich nicht
dieser Lücken bemächtigen und dass sie im Vereine mit den Unterrichts-
behörden sich nicht bemühen, diese Lücken auszufüllen. Dass der Erfolg
nicht ausbleibt, haben einige Beispiele gezeigt. Es ist nicht immer eine
grosse Staatssubvention nöthig, aber es muss die Voraussetzung eintreten,
dass sich Verfasser und Verleger bescheiden und nicht "reine künstlerische
Tendenzen im Auge behalten. Solche Vorlagen müssten einfach, gut und
wohlfeil sein und von anerkannten Autoritäten ausgehen.
Es wird gegenwärtig so viel von der Nothwendigkeit gesprochen,
das Kleingewerbe zu heben und dem Arbeiterstande eine solide Schulung
zu geben, dass man wohl in keinem Augenblicke vergessen darf, wie
nöthig es ist, dem Unterbaue des ganzen gewerblichen Unterrichtes -
') Für Vorlagenwcrke hoheren Ranges ist durch Storck, Teirich, Laufberger, Hause:
u. A. m. vorzüglich gesorgt worden.