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der Kunstgewerbeschule eintreten zu können. Es hat sich aber im Laufe
der Jahre herausgestellt, dass eine Sichtung der Talente wünschenswerth
sei, damit nur wirklich begabte Schüler die Kunstgewerbeschule durch-
machen, um als wirkliche Künstler für das Kunstgewerbe in die Praxis
überzugehen. Die Industrie kann aber auch zeichnende Kräfte von min-
derer Begabung und minderer Ausbildung verwenden und vielleicht in
der Mehrzahl. Diese nun so weit auszubilden, als hiefür nöthig erscheint,
ohne sie doch die langen Jahre noch in der Kunstgewerbeschule fest-
zuhalten, das ist fortan die Aufgabe der nunmehrigen w-allgemeinen Ab-
theilungu. Es ist dabei vorzugsweise an Zeichner für das Textilfach
gedacht; sie sollen fortan von hier aus direct in die Fabriken übergehen
können. Inwiefern nun für sie die Lehrgegenstände erweitert worden sind
- wir betonen dabei insbesondere die Stillehre und das Zeichnen und
Malen von Blumen - darüber gibt der Lehrplan in ausführlicher Weise
die Auskunft.
Noch Eines wollen wir bemerken, das ist die im neuen Statut vor-
geschriebene Ernennung eines ständigen Directors statt des im zwei-
jährigen Turnus wechselnden. Ein solcher Wechsel ist vielleicht das
Richtige für eine Akademie der Künste, wo die Geschäfte des Rectors
mehr formeller Natur sind, das Wesentliche aber _in der Individualität
der Professoren und in der freien Entwickelung der Schüler liegt. Gerade
hier wäre ein künstlerischer Zwang nicht am Orte. Ganz anders an
einer Kunstgewerheschule mit der Stellung einer Mittelschule, wo der
Unterricht bereits in früheren Jahren beginnt, die Zahl der Schüler
größer, die Talente im Durchschnitt geringer, die Ziele von praktischer
Art sind. Hier ist eine mehr einheitliche künstlerische Disciplin noth-
wendig, eine Leitung, welche strenge über den Gang der Bildung wacht
und das Ziel stets im Auge behält. Und eine solche Leitung ist nur
möglich, wenn sie eine ständige ist. -Es ist dabei nicht zu übersehen,
dass das neue Statut auch eine Ueberwachung der allgemeinen Abtheilung
durch Professoren der Fachabtheilungen anordnet, eine Anordnung, welche
aus demselben Motiv um der Einheit willen getroffen worden.
Alle diese Veränderungen -und andere, die wir unerwähnt lassen -
sind aus den Erfahrungen von nunmehr zwanzig Jahren hervorgegangen.
Sie bedeuten also nicht Versuche, die sich erst erproben sollen. Und so
werden sie wohl für eine gute Reihe von Jahren vorhalten, bis der
Wechsel der Zeit wieder andere Bedürfnisse hervorruft.
Die Kunstgewerbe-Ausstellung in München.
Von J. v. Falke.
Uns gebricht es an Raum zu einem ausführlichen Berichte über
die deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in München. Ebensowenig aber
dürfen wir nach den Tendenzen unserer Zeitschrift ein Ereigniss von