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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1876 / 135)

Entwicklung des gewerblichen und mernantilen Unterrichts. IJVH 
2. Fachmännische Inspection gewerblicher Lehranstalten. 
Ein neues Erforderniss wird begründet durch die Nothwendigkeit einer 
fachmännischen Inspection der gewerblichen Lehranstalten. Diese Anstalten haben 
sich in den letzten Jalwen erfreulicher Weise so vermehrt und entwickelt, dass die 
Vornahrne von Fachinspectionen in grösserem Umfange als bisher unerlässlich 
geworden ist, wenn die Centralleitung den erforderlichen Einblick in die Zustände 
an den einzelnen Schulen ferner behalten soll. Es bedarf wohl kaum eines Nur-h- 
weises, dass der Werth der Leistungen thchlicher [Tnterriclwlsanstalten für den 
Berufszweig nur durch Männer des betreffenden Faches voll gewürdiget werden 
kann, und dass der für die Volks- und Mittelschulen bestehende Aufsichtsapparal 
hier nicht zureicht. Auch wird bei fernerer Entwicklung des gewerblichen Fach- 
unterrichtes in Österreich auf die Dauer, die Einflihrum; stabiler fachlicher 
Aufsichtsorgane nicht zu vermeiden sein. Gegenwärtig lässt sich von dieser kost- 
spieligen Massregel noch Umgang nehmen, indem man einzelne vertrauenswürdige 
Fachmänner, welchen für ihre lllühewaltung Remunerationen gewährt werden, zur 
Inspection entsendet. Da die Auswahl dieser Fachmänner noch nicht getroffen 
werden konnte, da nicht voraus bestimmt werden kann, ab keine Anstalt öfter als 
Ein Mal des Jahres zu besuchen sein wird, da die äussersten Reiseziele der 
Inspectoren zum Theile sehr ferne liegen, andere zu besuchende Punete wieder 
vom Centrurn der Monarchie leicht erreichbar sind, da endlich auch unvorher- 
gesehene Fälle sich ergeben möchten. wo die Entsendung von Vertrauenspersonen 
zur Vnrnalime von Erhebungen an Ort und Stelle nothwondig erscheint, so hat die 
Aufstellung eines detaillirteren Kostenvoranschlages ihre Schwierigkeiten. 
3. Fortbildung von Fachlehrern und Lehrumtscundidaten. 
Eine wichtige Frage, welche eine weit eingehendere Wuirdigung verdiente. 
als in diesem Motivenlierichte möglich und passend scheint, ist ferner die Lehrer- 
frsge. Durch Andeutung einiger weniger Gesichtspnncte kann übrigens" schon ein 
Begriff gegeben werden von den Schwierigkeiten, welchen die Ürganisationsarheit 
in dieser Richtung begegnet. 
Um den Aufgaben seines Lehraxntes gewachsen zu sein, soll nämlich der 
gewerbliche Fachlehrer drei Qualitäten besitzen : ers ten s r eg el r e c h te ak ad e- 
mische Bild ung im Fache, zweitens aus eigener Anschauung 
erwachsene Kenntniss des Gewerbes, drittens Bekanntschaft mit 
dem Schulwesen im Allgemeinen und mit den Methoden des gewerb- 
lichen Unterrichtes im Besonderen. Eine der drei Qualitäten mangelt 
fast jedem inländischen Candidaten um eine Fnchlehrerstelle; die dritte natürlich 
am häufigsten, da eben in Österreich , bis vor Kurzem Gewerbe-schulen nicht 
bestanden und darum ein Stamm älterer Fachlehrer nicht vorhanden sein kann. 
Nun soll einerseits aus mancherlei Gründen die Berufung von Lehrkräften auslän- 
discher Schulen thunlichst vermieden, anderseits aber auch nicht darauf verzichtet 
werden, dass an jeder Anstalt wenigstens einige Kräfte die erforderlichen Eigen- 
schaften in sich vereinen und dadurch den Amtsgenossen und dem Lehrernacluwuchs
	            		
LVIII Entwicklung des gewerblichen und mercantilen Unterrichts. die Richtung geben. Denn es ginge nicht an, ganze Lehrkörper vzusammenzusetzen aus Personen, deren jeder eine der drei Qualitäten fehlt. Ein beilloses Experimen- tiren von unberechenbaren: Erfolge wurde da beginnen. Bei so schwieriger Sachlage muss die Unterrichtsverwaltung die nöthigen Massregeln ergreifen. um einerseits geraume Zeit vor dem lnslebentreten einer Schule sich schon entsprechend qualificirter Lehrkräfte zu versichern, anderseits bei den im Ämte befindlichen Lehrern auf möglichste Ergänzung ihrer Qualitäten hinzuwirken. So muss z. B. Umschau gehalten werden unter den Assistenten der Fachlehrkanzeln technischer Hochschulen oder unter den Lehrern gewisser Fächer an Realschulen; manche von ihnen haben einerseits Einblick in das practische Gewcrbewesen genommen, anderseits genug Lehrerfahrung gewonnen, um ver- hältnissmässig rasch im Studium gewerblicher Schulen sich über die wichtigsten Puncte zu orientieren; man sendet sie nun aus zum Studium der hervorragendsten gewerblichen Lehranstalten-des Auslandes; hiebei kommen sie in frur-htbringende Berührung mit erfahrenen Männern des Faches, und indem sie manchen wcrthvollen Wink erhalten. manche Ürtheile über verschiedene Lehrsysteme und Organisationen hören, schärfen sie den pädagogischen Blick, beobachten die Erfolge des einen und des anderen Systemes, der einen und anderen Organisation an Ort und Stelle und messen dadurch die Kraft des eigenen llrtbeiles an dem vernommenen fremden llrtheile. Auf solcher Reise beobachten sie dann den Einfluss des Unterrichtes auf Gewerbe und Industrie und belehren sich über Stand und Einrichtungen dieser Industrie selbst. ln Fällen dagegen, wo ein wissenschaftlich, respective künstlerisch gebildeter Practiker, dem Lehrerfahrung gänzlich mangelt, sich für den Lehrberuf qualificiren soll. erühriget nur, ihn durch längere Zeit einem schon consolidirten Lehrkörper zuzutheilen, ihn_ unter der Anleitung eines besonders erfahrenen Gewerbeschul- mannes in den Beruf einführen zu lassen und ihn erst nach solcher Lehrzeit bei Organisirung einer neuen Schule zu verwenden. Fnchmännern, deren besondere Begabung erwarten lässt, dass sie sich relativ bald zu hervorragender Stellung in einem Lehrkörper eignen dürften, muss natürlich mehrfache Gelegenheit gegeben werden, sowohl durch Studium des Lehr- ganges an einer inländischen Lehranstalt, als auch durch Besichtigung fremder Schulen, durch Besuch von Ausstellungen und Bereisung von lndustriegebieten sich tüchtig fortzubilden. Überhaupt ist das Lehrpersonal der gewerblichen Unterrichtsanstalten weit mehr als das anderer Schulen gezwungen, von Vielem Notiz zu nehmen, was ausser den Schulräumen vorgeht Namentlich ein nutzbringender technologischer Unterricht an den Gewerbeschulen wird nie ertheilt werden können von Lehrern, die sich stets nur im engen heimischen Kreise bewegt haben. und leistungsfähig ' können diese Schulen nur sein und bleiben, wenn sie stets mindestens auf der Höhe bester gleichzeitiger Praxis stehen, wenn sie nie Veralteteslehren, wenn die Fachlehrer den jeweiligen Stand der betretfenden Industrie genau kennen. Es ist somit selbstverständlich, dass die Kosten der Entsendung dieses Lehrpersonales zu Industrieausstellungen und nach den wichtigsten Indnstrielandern
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