Entwicklung des gewerblichen und mernantilen Unterrichts. IJVH
2. Fachmännische Inspection gewerblicher Lehranstalten.
Ein neues Erforderniss wird begründet durch die Nothwendigkeit einer
fachmännischen Inspection der gewerblichen Lehranstalten. Diese Anstalten haben
sich in den letzten Jalwen erfreulicher Weise so vermehrt und entwickelt, dass die
Vornahrne von Fachinspectionen in grösserem Umfange als bisher unerlässlich
geworden ist, wenn die Centralleitung den erforderlichen Einblick in die Zustände
an den einzelnen Schulen ferner behalten soll. Es bedarf wohl kaum eines Nur-h-
weises, dass der Werth der Leistungen thchlicher [Tnterriclwlsanstalten für den
Berufszweig nur durch Männer des betreffenden Faches voll gewürdiget werden
kann, und dass der für die Volks- und Mittelschulen bestehende Aufsichtsapparal
hier nicht zureicht. Auch wird bei fernerer Entwicklung des gewerblichen Fach-
unterrichtes in Österreich auf die Dauer, die Einflihrum; stabiler fachlicher
Aufsichtsorgane nicht zu vermeiden sein. Gegenwärtig lässt sich von dieser kost-
spieligen Massregel noch Umgang nehmen, indem man einzelne vertrauenswürdige
Fachmänner, welchen für ihre lllühewaltung Remunerationen gewährt werden, zur
Inspection entsendet. Da die Auswahl dieser Fachmänner noch nicht getroffen
werden konnte, da nicht voraus bestimmt werden kann, ab keine Anstalt öfter als
Ein Mal des Jahres zu besuchen sein wird, da die äussersten Reiseziele der
Inspectoren zum Theile sehr ferne liegen, andere zu besuchende Punete wieder
vom Centrurn der Monarchie leicht erreichbar sind, da endlich auch unvorher-
gesehene Fälle sich ergeben möchten. wo die Entsendung von Vertrauenspersonen
zur Vnrnalime von Erhebungen an Ort und Stelle nothwondig erscheint, so hat die
Aufstellung eines detaillirteren Kostenvoranschlages ihre Schwierigkeiten.
3. Fortbildung von Fachlehrern und Lehrumtscundidaten.
Eine wichtige Frage, welche eine weit eingehendere Wuirdigung verdiente.
als in diesem Motivenlierichte möglich und passend scheint, ist ferner die Lehrer-
frsge. Durch Andeutung einiger weniger Gesichtspnncte kann übrigens" schon ein
Begriff gegeben werden von den Schwierigkeiten, welchen die Ürganisationsarheit
in dieser Richtung begegnet.
Um den Aufgaben seines Lehraxntes gewachsen zu sein, soll nämlich der
gewerbliche Fachlehrer drei Qualitäten besitzen : ers ten s r eg el r e c h te ak ad e-
mische Bild ung im Fache, zweitens aus eigener Anschauung
erwachsene Kenntniss des Gewerbes, drittens Bekanntschaft mit
dem Schulwesen im Allgemeinen und mit den Methoden des gewerb-
lichen Unterrichtes im Besonderen. Eine der drei Qualitäten mangelt
fast jedem inländischen Candidaten um eine Fnchlehrerstelle; die dritte natürlich
am häufigsten, da eben in Österreich , bis vor Kurzem Gewerbe-schulen nicht
bestanden und darum ein Stamm älterer Fachlehrer nicht vorhanden sein kann.
Nun soll einerseits aus mancherlei Gründen die Berufung von Lehrkräften auslän-
discher Schulen thunlichst vermieden, anderseits aber auch nicht darauf verzichtet
werden, dass an jeder Anstalt wenigstens einige Kräfte die erforderlichen Eigen-
schaften in sich vereinen und dadurch den Amtsgenossen und dem Lehrernacluwuchs
LVIII Entwicklung des gewerblichen und mercantilen Unterrichts.
die Richtung geben. Denn es ginge nicht an, ganze Lehrkörper vzusammenzusetzen
aus Personen, deren jeder eine der drei Qualitäten fehlt. Ein beilloses Experimen-
tiren von unberechenbaren: Erfolge wurde da beginnen.
Bei so schwieriger Sachlage muss die Unterrichtsverwaltung die nöthigen
Massregeln ergreifen. um einerseits geraume Zeit vor dem lnslebentreten einer
Schule sich schon entsprechend qualificirter Lehrkräfte zu versichern, anderseits
bei den im Ämte befindlichen Lehrern auf möglichste Ergänzung ihrer Qualitäten
hinzuwirken. So muss z. B. Umschau gehalten werden unter den Assistenten der
Fachlehrkanzeln technischer Hochschulen oder unter den Lehrern gewisser Fächer
an Realschulen; manche von ihnen haben einerseits Einblick in das practische
Gewcrbewesen genommen, anderseits genug Lehrerfahrung gewonnen, um ver-
hältnissmässig rasch im Studium gewerblicher Schulen sich über die wichtigsten
Puncte zu orientieren; man sendet sie nun aus zum Studium der hervorragendsten
gewerblichen Lehranstalten-des Auslandes; hiebei kommen sie in frur-htbringende
Berührung mit erfahrenen Männern des Faches, und indem sie manchen wcrthvollen
Wink erhalten. manche Ürtheile über verschiedene Lehrsysteme und Organisationen
hören, schärfen sie den pädagogischen Blick, beobachten die Erfolge des einen
und des anderen Systemes, der einen und anderen Organisation an Ort und Stelle
und messen dadurch die Kraft des eigenen llrtbeiles an dem vernommenen fremden
llrtheile. Auf solcher Reise beobachten sie dann den Einfluss des Unterrichtes auf
Gewerbe und Industrie und belehren sich über Stand und Einrichtungen dieser
Industrie selbst.
ln Fällen dagegen, wo ein wissenschaftlich, respective künstlerisch gebildeter
Practiker, dem Lehrerfahrung gänzlich mangelt, sich für den Lehrberuf qualificiren
soll. erühriget nur, ihn durch längere Zeit einem schon consolidirten Lehrkörper
zuzutheilen, ihn_ unter der Anleitung eines besonders erfahrenen Gewerbeschul-
mannes in den Beruf einführen zu lassen und ihn erst nach solcher Lehrzeit bei
Organisirung einer neuen Schule zu verwenden.
Fnchmännern, deren besondere Begabung erwarten lässt, dass sie sich relativ
bald zu hervorragender Stellung in einem Lehrkörper eignen dürften, muss
natürlich mehrfache Gelegenheit gegeben werden, sowohl durch Studium des Lehr-
ganges an einer inländischen Lehranstalt, als auch durch Besichtigung fremder
Schulen, durch Besuch von Ausstellungen und Bereisung von lndustriegebieten sich
tüchtig fortzubilden.
Überhaupt ist das Lehrpersonal der gewerblichen Unterrichtsanstalten weit
mehr als das anderer Schulen gezwungen, von Vielem Notiz zu nehmen, was
ausser den Schulräumen vorgeht Namentlich ein nutzbringender technologischer
Unterricht an den Gewerbeschulen wird nie ertheilt werden können von Lehrern,
die sich stets nur im engen heimischen Kreise bewegt haben. und leistungsfähig
' können diese Schulen nur sein und bleiben, wenn sie stets mindestens auf der
Höhe bester gleichzeitiger Praxis stehen, wenn sie nie Veralteteslehren,
wenn die Fachlehrer den jeweiligen Stand der betretfenden Industrie genau
kennen. Es ist somit selbstverständlich, dass die Kosten der Entsendung dieses
Lehrpersonales zu Industrieausstellungen und nach den wichtigsten Indnstrielandern